: An die Opfer zahlen, nicht an den Staat
MigrantInnen gründen Unterstützerkreis für türkische Erdbeben-Opfer ■ Von Elke Spanner
Der Gesundheitsminister lehnt Blutspenden aus Griechenland ab. Einem armenischen Sanitärteam wird die Einreise verweigert, und auch auf die Hilfe eines US-Lazarettschiffes will die türkische Regierung verzichten. Es mehren sich die Gerüchte, dass nach dem schweren Erdbeben zuerst die Militäranlagen geräumt und darunter verschüttete hochrangige Soldaten freigeschaufelt, erst anschließend ZivilistInnen unter eingestürzten Wochhäusern geborgen worden sind. Und mit diesen Meldungen entwickelt sich Misstrauen, ob Geld und Hilfslieferungen, die in die Türkei geschickt werden, auch tatsächlich die über 200.000 Obdachlosen in der Türkei erreichen.
Dennoch ruft der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, der in Hamburg lebende Hakki Keskin, dazu auf, Geld direkt auf das Konto des Türkischen Konsulates zu überweisen. Nicht so die Initiative „Erdbebenopfer-Unterstützungsgruppe Gölcük“. Unter dem Namen haben sich in Hamburg überwiegend MigrantInnen zusammengefunden, um Hilfe vor Ort in Gölcük zu organisisern, einer der am meisten vom Erdbeben betroffenen Städte. Die hier lebende Türkin Kadriye Baksi ist ins Krisengebiet geflogen, um Kontakt zu zivilen Organisationen und Menschenrechtsgruppen aufzunehmen. In Gölcük will die Initiative einen Krisentisch aus den BewohnerInnen der Stadt organisieren, die laut Sprecher Darren Klingbeil-Baksi schließlich selbst am besten wissen, wer wofür Geld benötigt.
Die „Erdbebenopfer-Unterstützungsgruppe Gölcük“ ruft auch dazu auf, Sachspenden bei „Öger Tours“ abzugeben. Fünf Mal pro Woche fliegt der Reiseveranstalter von Hamburg nach Istanbul. Der Frachtraum, der nicht vom Gepäck der Fluggäste beansprucht wird, wird nun mit Hilfsgütern vollgeladen. „Öger Tours“ hat ein eigenes Netzwerk aufgebaut, über das Sachspenden, wie Sprecher Ingo Thiel versichert, direkt in die Krisengebiete transportiert und dort verteilt werden.
Kartons, in denen einst Computerbildschirme transportiert wurden, werden nun mit Babywindeln, Straßenschuhen und Regenmänteln gefüllt. In Plastiksäcken bringen viele ihre Spenden. Klamotten. Bettwäsche. Lebensmittel, Medikamente. „Manche haben Lebensmittel gebracht, deren Haltbarkeitsdatum vor zwei Jahren abgelaufen ist“, sagt Thiel und schüttelt den Kopf. „Sie wollen die Gelegenheit nutzen, ihren Müll zu entsorgen“. Den sortieren die MitarbeiterInnen von „Öger Tours“ aus, ehe die Waren in Kartons eingepackt werden.
Fünf Tonnen Medikamente wurden am Wochenende in die Türkei gebracht, gestern abend startete ein weiterer Flug aus Hamburg. Mittlerweile werden vor allem Zelte und Regenklamotten benötigt. Denn in der Türkei, in der hunderttausende Menschen auf der Straße leben, regent es pausenlos.
Sachspenden: „Öger Tours“, Sportallee 4.Geld: „Erdbebenopfer-Unterstützungsgruppe“, Konto Darren Klingbeil-Baksi, Stichwort „Erdbeben“, Nr. 1257512549 bei der Haspa
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