: Multimillionär Reemtsma als Schuldner ausgegeben
■ Reemtsma-Entführung: Mitangeklagter stellt sich auch als Irregeführter dar
Hamburg (taz) – Im Prozess gegen einen der Entführer des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma hat der Angeklagte gestern ein umfassendes Geständnis abgelegt. Der Pole Piotr L. hatte sich im März, drei Jahre nach der Tat, selbst der Polizei gestellt. Gestern wurde das Verfahren vor dem Hamburger Landgericht eröffnet, in dem ihm Geiselnahme und Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub vorgeworfen werden.
Piotr L. droht eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren. Allerdings hat sich der Angeklagte nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer seiner Mitentführer dargestellt. Als er Anfang 1996 von dem inzwischen verurteilten Wolfgang K. angeworben wurde, hätte der ihm vorgegaukelt, dass ein ehemaliger Geschäftspartner zur Zahlung seiner Schulden gezwungen werden sollte. Erst als Reemtsma schon zwei Wochen in seinem Verlies im niedersächsischen Garlstedt gefangen gehalten worden war, will Piotr L. erfahren habe, dass nicht fällige Schulden, sondern Lösegeld eingetrieben werden sollte. Daraufhin habe er das Haus verlassen.
Zusammen mit Thomas Drach, dem mutmaßlichen Kopf der Bande, hatte Piotr L. den Hamburger Millionär am Abend des 25. März 1996 auf dessen Grundstück aufgelauert. Die Entführer überwältigten und fesselten Reemtsma, verfrachteten ihn in ein Auto.
Piotr L. betonte gestern vor Gericht, dass neben ihm nur noch Thomas Drach mit im Wagen gewesen sei. Der Spiegel hatte in seiner aktuellen Ausgabe behauptet, dass ein dritter Mann das Auto gefahren habe. Wolfgang K., der Piotr L. seinerzeit angeheuert hatte, wurde bereits im Februar 1997 vom Hamburger Landgericht zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Fünf Jahre bekam Peter R., der telefonisch das Lösegeld gefordert haben soll. Thomas Drach wurde im März vorigen Jahres in Buenos Aires verhaftet. Seither sitzt er in Argentinien in Auslieferungshaft.
Elke Spanner
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen