Harte Kämpfe in der UNO

Moderne Publicity-Methoden werden von den Kandidaten eingesetzt  ■   Aus Paris Dorothea Hahn

Seine Exzellenz ist „einer der größten Dichter der arabischen Sprache“, außerdem Wissenschaftler und Jurist, „Champion der Frauenrechte“ und der „effizienteste und modernste Techniker der saudischen Regierung“. So jedenfalls steht es in der Selbstdarstellung des Kandidaten auf Hochglanzpapier. Gegenwärtig arbeitet er als Botschafter Riads in London. Aber er möchte höher hinaus: Ghazi Algosaibi bewirbt sich um den Posten des Generaldirektors der Unesco.

Der Sechs-Jahre-Job an der Spitze der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur ist begehrt. Neben dem saudischen Funktionär haben sich bislang ein knappes Dutzend Kandidaten aus aller Welt darum beworben – darunter ein Japaner, ein Australier und ein Ägypter.

Fast alle sind oder waren Minister in ihren Herkunftsländern, viele sind hochkarätige Wissenschaftler, manche haben schon für die Unesco gearbeitet. Viele von ihnen haben Webpages im Internet und mit Diplomaten und Intellektuellen besetzte Unterstützerkomitees eingerichtet.

Algosaibi geht noch weiter. Er hat Agenten in London und Paris angeheuert, die die Journalisten in seiner Sache briefen. Wenn sie positive Zitate über den Kandidaten finden, bringen sie die in neuen Broschüren unter. Wenn irgendwo kritische Worte über ihren Kandidaten veröffentlicht werden, sorgen sie dafür, dass das zurechtgerückt wird. Außerdem verschicken sie seine Gedichte und Bücher an die Presse.

„Sohn Adams!/ lass uns gemeinsam verkünden/ dass wir Sklaven der Frauen sind“, heißt es in einem Gedicht, das der Feder des Kandidaten entflossen ist. „Extrem wichtige Aspekte der Entwicklung haben absolut nichts mit Geld zu tun“, lautet es im neuesten Buch des Kandidaten („Quelle attitude face au développement?“, Juli 1999), in dem er auch auf erfolgreiche Entwicklungsbeispiele aus Süd-Korea, Bangladesh und Saudi-Arabien verweist.

Algosaibis Kandidatur wurde von Riad lanciert. Inzwischen unterstützt die komplette Arabische Liga seine Bewerbung. Damit sind seine Aussichten auf eine Wahl nicht ganz schlecht, denn in der Logik der internationalen Organisation muss der nächste Unesco-Chef entweder aus Asien, aus der arabischen Welt oder aus Osteuropa stammen. Aber Algoraibis Kandidatur ist nicht die einzige aus der arabischen Welt. Und sie sorgte unter anderem dort bereits für heftige Kritiken.

Zwei Intellektuelle – der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun und der Soziologe Mahmoud Hussein – empörten sich in der französischen Tageszeitung Libération darüber, dass der Kandidat Funktionär eines Landes ist, welches weder die Menschenrechtserklärung unterzeichnet hat noch die Gleichstellung von Mann und Frau akzeptiert.

Es dauerte nur wenige Tage, da erschien in derselben Zeitung und an derselben Stelle der Leserbrief einer Dame, die richtigstellte, dass die beiden Intellektuellen „keine Courage“ hätten. Der Grund: Sie hatten verheimlicht, dass sie zum Unterstützerkomitee eines anderen Unesco-Kandidaten, des Ägypters Ismail Seralgeldins, gehörten. In Ägypten werde die Presse kontrolliert, fügte die Dame maliziös hinzu. Worüber sie nicht schrieb, das ist die Tatsache, dass der Ägypter nicht von seiner Regierung aufgestellt wurde.

Auch in den Gängen der 2.500 MitarbeiterInnen großen Unesco-Zentrale in Paris sorgt die saudische Kandidatur für eine gewisse Aufregung. Allerdings möchte dort niemand namentlich mit seiner Kritik an den rauhen Sitten in Saudi-Arabien zitiert werden und mit der Frage, wie ausgerechnet ein Vetreter jenes Landes die universellen Werte der Unesco repräsentieren soll.

Hinter den Kulissen der Unesco tobt zur Zeit ein harter Kampf um den Posten. Die offizielle Bewerbungsfrist läuft Ende dieser Woche ab. Dann trifft der Exekutivausschuss eine Vorentscheidung. Das letzte Wort haben im November die 58 Mitgliedsstaaten. Ein harter diplomatischer Poker unter Ausschluss der Vereinigten Staaten, die 1984 aus der Unesco austraten, und der zahlreichen kommerziellen Sponsoren, die ebenfalls nicht mitstimmen dürfen, zeichnet sich ab.