Ernst Bloch, vergessener Philosoph und Sonntagsmaler

■ Auktion im Internet bringt politische Aquarelle an den Tag. Weitere Werke in Teig und Tusche

Seit der Geist der Utopie eine Auszeit genommen hat, ist es still geworden um Ernst Bloch. Sein im Suhrkamp Verlag beigesetztes Gesamtwerk hat die Anziehungskraft verloren. Die schwülstige Prosa des Philosophen mit der hohen Meinung vom Menschen und der noch höheren Dioptrienzahl ruft keinen Rausch und keinen Kater mehr hervor. Mit Ernst Bloch ist kein Staat mehr zu machen und auch keiner mehr zu erschüttern. Bloch ist tot.

Das gilt jedenfalls für den Philosophen Bloch. Anders sieht es mit dem Sonntagsmaler aus: Auf einer Kunstauktion im Internet wurden im Juli 1999 drei Aquarelle von Ernst Bloch angeboten und für insgesamt 140.000 Dollar von einem kalifornischen Galeristen ersteigert. Diese Transaktion hat auch den Preis in die Höhe getrieben, den Albert Kettler, ein Privatsammler aus Leipzig, für eine Zeichnung fordert, die Ernst Bloch 1956 anfertigte, wenige Monate nach dem XX. Parteitag der KPdSU, auf welchem die Verbrechen Stalins zur Sprache gekommen waren. Nach Jahrzehnten der Linientreue machte Bloch damals seinem Unmut erstmals Luft und porträtierte Stalin, den er einst als „Richtgestalt der Liebe“ und als „Führer ins Glück“ gepriesen hatte, als feisten, sabbernden Lindwurm, der seine Feinde in der Pfeife raucht, ein Blutbad nimmt und dabei noch selbstzufrieden grient.

In Kettlers Besitz ist die Zeichnung, nach längeren Umwegen, erst nach dem Mauerfall gelangt. Dass sie echt ist, wird auch von Experten nicht bezweifelt. Im Januar 2000 soll sie, zusammen mit einigen Akt-Studien und Stillleben von Ernst Bloch („Das Prinzip Hoffnung“), von einem angesehenen Londoner Auktionshaus versteigert werden.

Eine erste Auswahl aus Blochs grafischem Werk wird im Herbst der Lüneburger Verlag zu Klampen herausbringen. Es ist eine Volksausgabe, aber auch eine aufwendiger gestaltete Edition für betuchte Liebhaber geplant. Zur Zeit umfasst das inoffizielle Werkverzeichnis rund 50 Objekte, darunter auch eine Dutschke-Büste aus Brotteig und einen maschinenschriftlichen, an Bloch gerichteten Brief, den der Philosoph von Hand mit einer Girlande obszöner Vignetten verziert hat. Absender: Ernst Jünger.

Details der Vignetten hat der Verlag der Presse bereits zugänglich gemacht. Was Jünger Bloch geschrieben hat, soll aber erst am Auslieferungstag preisgegeben werden. „Bloch hätte es genauso gemacht“, sagt der Verlagschef Dietrich zu Klampen und verweist auf das Motto, das Bloch seinem philosophischen Lesebuch „Spuren“ vorangestellt hat: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“ Gerhard Henschel