: Fusionen sollen die Gewinne der Energiefirmen sichern
■ Veba und Viag planen Zusammenschluss zum größten Energiekonzern Deutschlands. Personaleinsparungen sollen den Preisverfall beim Strom ausgleichen
Berlin (taz) – Selbst Fachleute wie der Präsident des Bunderkartellamtes, Dieter Wolf, sind erstaunt, dass die Preise für Strom so schnell purzeln. Nur gut ein Jahr nach der Liberalisierung des Energiewirtschaftsgesetzes unterbieten sich die Konzerne gegenseitig mit Niedrigpreisen. Waren bisher rund 30 Pfennig pro Kilowattstunde normal, verlangt neuerdings das Unternehmen EnBW aus Stuttgart nur noch 19 Pfennig. Mit dem Preiskampf begründen die Konzerne aber auch ihre Zusammenschlüsse zu größeren Einheiten. Das Fusionsfieber ist auch in der Energiewirtschaft ausgebrochen.
„Die Firmen wollen ihre Rationalisierungspotenziale ausschöpfen, um europaweit konkurrenzfähig zu sein“, sagt Patricia Nicolai, Sprecherin der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VdEW). Gestern bestätigten die Vorstände der Konzerne Veba (Düsseldorf) und Viag (München) erstmals offiziell ihre Fusionspläne. Die bisherigen Nummern Zwei und Drei der deutschen Branche – gemessen am Stromabsatz – würden damit den Spitzenreiter RWE vom ersten Platz verdrängen.
Ob die Fusion klappt, hängt nur noch vom Votum der bayerischen Landesregierung ab, der 25,1 Prozent der Viag gehören. Bayern legt Wert darauf, dass wesentliche Teile des Konzerns auch weiterhin im Freistaat bleiben. Ein möglicher Kompromiss könnte so aussehen: Die Veba-Viag-Holding inklusive der Zentralen für das Industrie-, Chemie- und Telekommunikationsgeschäft könnten in Düsseldorf angesiedelt werden und die gemeinsame Energiefirma käme nach München. In Hannover, wo bislang die Zentrale der Veba-Tochter PreussenElektra sitzt, macht sich deshalb Unruhe breit.
Kartellamts-Chef Wolf sagte gestern, dass er die Fusion Veba-Viag nur dann genehmigen könne, wenn die Konzerne vernünftige Bedingungen schüfen, um der Konkurrenz Zugang zu dem gemeinsamen Versorgungebiet zu gestatten. Er scheue sich nicht, „die Fusion als Hebel für die Durchleitung des Stroms“ zu nutzen, so Wolf.
Schon liegen weitere Fusionen in der Luft. So beabsichtigt die Landesregierung von Baden-Württemberg, sich von ihrer Beteiligung am Konzern EnBW zu trennen. Das RWE hat Interesse an dem Paket, ebenso wie der französische Konzern EdF. Gerade ausländische Unternehmen gehören zu den Treibern der Fusionsmanie. Bisher ist es ihnen, von wenigen Beispielen abgesehen, nicht gelungen, auf dem lukrativen deutschen Markt Fuß zu fassen. Die deutschen Konzerne blockieren die europäische Konkurrenz mit hohen Gebühren für die Durchleitung des Stroms zum Verbraucher oder für Bereitstellung von Reservekraftwerken, falls der Importstrom einmal ausfällt.
Allgemein rechnet man damit, dass die Zahl der heute noch rund 900 Energieversorger in Deutschland demnächst beträchtlich sinkt. Abschreckendes Beispiel ist Belgien: Infolge der Liberalisierung gibt es dort praktisch nur noch einen Versorger: Tractebel.
Durch Fusionen wollen die Energieversorger ihre bisherigen satten Profitmargen erhalten. Nach Ansicht des Energieexperten Lutz Mez von der Freien Universität Berlin liegen die Verkaufspreise pro Kilowattstunde um „30 bis 50 Prozent“ über den Herstellungs- und Verteilungskosten. Hinzu kommt, dass die Unternehmen in den vergangenen Jahren laut Mez „riesige Kriegskassen“ angelegt haben, die mit mehr als 100 Milliarden Mark prall gefüllt sind. Das dicke Polster droht jetzt etwas abzuschmelzen, weil die Unternehmen ihre Verbraucherpreise auch in Zukunft weiter senken müssen, wenn etwa EdF hierzulande mehr billigen Atomstrom anbietet.
Die Branche versucht gegenzusteuern: Fusionen bedeuten immer drastische Stellenkürzungen, Zusammenlegung von Verwaltungsabteilungen und Personaleinsparungen. Die ökonomische Notwendigkeit dafür, die die Konzerne nun suggerieren, besteht freilich nicht. Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen