piwik no script img

Oasen für Knusperhörnchen

Gern rümpfen Feinschmecker über Berlin die ungeputzte Nase und behaupten, die Hauptstadt spiele kulinarisch nur in der zweiten Liga. Zählen die Berliner Spezialitäten auf und lachen sich über Eisbein, Soleeier und Erbsensuppe schlapp. Das dürfen sie gern. Aber beim Frühstück bitten wir die Lästermäuler um Ruhe, um äußerste Ruhe sogar. Wenn Hamburg und München die Bürgersteige hochklappen, fangen wir erst mit dem frühen Stückchen an. Bis 16 Uhr können Berliner jederzeit eines nahrhaften Morgenbissens gewärig sein. In keiner anderen Stadt wird länger und intensiver gefrühstückt. Wir haben uns umgehört: Hier sind acht Frühstückstips von kulinarischen Sachverständigen: sitzen, gucken, genießen, mit und ohne Sahne Von Manfred Kriener

Thea Schwarz ist Mietköchin und Genießerin. Ihr Favorit für den Frühhappen: das Wellenstein am Q-Damm im alten Gebäude der Oberfinanzdirektion, in das schon morgens jede Menge Volk drängelt. Das sei „nicht so pseudohistorisch“ und wirke auf sie wie ein frisch renoviertes Wiener Kaffeehaus, „außerdem kann ich da gut alleine sitzen“. Sie schätzt den sehr guten Kaffee, den netten Blick auf den Kurfürstendamm und das gemischte Publikum, „da kommt auch mal ein Russe rein“. Als ausgesprochen karger Frühstücker bestellt sie Milchkaffee, Orangensaft und ein Croissant. Keine Zeitung, denn: Wegen der Edelläden drumrum „gibt es viel zu gucken“.

Ambiente: **

Genussfaktor: *

Luigi Wanner, in Kamerun geborener Tessiner und Chefredakteur der deutschsprachigen Ausgabe des Genießermagazins Slow, liebt zum Frühstück die volle Sartre-Dröhnung: drei Zigaretten, drei Tassen Kaffee und beides zu Hause. Sonst nichts. Nur zweimal im Jahr wird er schwach und trollt sich mit schwerem Speichelfluss zum Zweitfrühstück in Richtung Leibnizstraße in die Pasticceria Italiana. Das Ambiente ist „scheußlich, kitschig, wirklich furchtbar“. Aber die Dolce! „Monsterhaft gut“, sagt Wanner und erinnert sich mit Abscheu an seine Gier beim letzten Besuch, als er sich auf die karamelldekorierten Schokotörtchen, den Blätterteigkuchen und die Petits Fours stürzte, die man „in dieser Qualität sonst nur in Italien findet“. Dazu ein Cappuccino mit diesem feinen Schaum, der den typisch braunen Hof ausbildet, der dann ganz leicht am Tassenrand hochkriecht ...

Ambiente: 0

Genussfaktor: ***

Wolf Thieme, langjähriger Chefredakteur des Feinschmecker, nennt sich selbst einen klassischen Brotesser. Schon morgens locken ihn krachende Krusten, dazu Käse und guter Honig. Das alles findet er im Montevideo am Viktoria-Luise-Platz. Für ihn repräsentiert dieser Platz ein Stück authentisches Berlin. Und wenn er dann noch einen Stuhl auf der schönen Terrasse findet und einen Blick auf die üppige Frühstückskarte wirft, ist das kleine Glück gefunden. „Die haben alles, mexikanisch, französisch, italienisch“, lobt der Fachmann das aufs Frühstück spezialisierte Café. Für ihn besonders wichtig: die Teekarte, auf der er seinen feinen Darjeeling findet, der dann so schön mit dem Honigbrot flirtet. Optisch wirkt das „Monte“ eher nüchtern. Das Publikum ist wegen der benachbarten Letteschule jugendlich, mit auffällig „vielen hübschen Mädchen“, so Genießer Thieme.

Ambiente: *

Genussfaktor: ***

Käse-Guru Philipe Causse, Chef der ambitionierten Wilmersdorfer Feinschmecker-Insel „Maitre Philippe“ (Emser Straße) frühstückt auch nach 25 Jahren in Deutschland immer noch französisch und deshalb am liebsten im Café Einstein, dem noblen Klassiker unter den Berliner Kaffeehäusern. Die schlichte Begründung: „Die machen den besten Kaffee in der Stadt.“ Und den braucht er morgens, dazu „ein bisschen Milch, Marmelade, Honig, ein Croissant“. Aber bloß keine Wurst und – bitte auch keinen Käse. Dafür lieber eine Zeitung, „völlig egal ob rechts oder links“. Mit Schaudern denkt Philippe an die Frühstücksausflüge mit seinen Töchtern, die ihm in aller Hergottsfrühe Ethnokost applizieren wollten. Zum Inder und Ägypter hätten sie ihn geschleppt, und das „in meinem Alter“.

Ambiente: **

Genussfaktor: **

Petra Groll, taz-Magazinmacherin, will morgens Nikotin, Kaffee und ihre Ruhe. Punkt. Aber immer wieder samstags, wenn sie auf ihrer Einkaufsmeile die Alte Markthalle in der Kreuzberger Eisenbahnstraße ansteuert, überkommt sie die Sehnsucht nach einem Butter-Eier-Pfannkuchen mit Erdbeer-Rum-Marmelade. Kein dünner, abgemagerter Franzosencrêpe, nein, ein dicker, guter Eierpfannkuchen muss es sein, notfalls eben aus der Mikrowelle. Den duftigen Perversling findet sie am Imbissstand im Mittelgang der Halle. Ihre tiefe Grunderfahrung: Erst wenn das Ding bis aufs letzte Puderzuckerstäubchen verputzt ist, macht das Einkaufen Spaß.

*Nur für Pfannkuchen-Junkies.

Lisa Uphoff, Restaurantkritikerin der Berliner Morgenpost, beißt gerne im Tomasa in der Motzstraße ins Knusperbrötchen, am liebsten mit Freunden. Für sie d a s Berliner Frühstückslokal, wo auch Spätaufsteher „noch lange brunchen können“. Mit Honighörnchen allein kann bei ihr niemand landen. Den Fischteller, die Schweinemedaillons und andere deftige Sachen findet sie als Magenstarter toll, dazu die bunte Schöneberger Kiezmischung im Publikum. Die Atmosphäre? „Das Café ist unspektakulär, gehört aber nicht zur Glasstahlfraktion, durchaus gemütlich.“

Ambiente: **

Genussfaktor: **

Und wo frühstückt der schwule Filmemacher Rosa von Praunheim? In einer schrillen Bar unter wilden Männern im sündigen Osten mit Kir Royal und gedillten Lachshäppchen? „Kann ich nicht mit dienen“, bedauert er. Aus reiner Bequemlichkeit „und weil's gut ist“, frühstückt er um die Ecke im Karioka in der Düsseldorfer Straße. Ein Café wie tausend andere in Berlin, „da habe ich meine Ruhe!“ Mit Vorliebe ordert er – nicht nur weil‘s gesund ist, sondern weil's ihm schmeckt – Müsli mit viel frischem Obst, dazu Pfefferminztee, ab und an auch mal einen Cappuccino, aber in jedem Fall „viele Zeitungen“.

Ambiente: *

Genussfaktor: *

Der Autor will seinen persönlichen Favoriten zum guten Schluss nicht verschweigen. Das Operncafé neben der Staatsoper mit Blick auf das neue Bundeskanzlerbüro im Staatsratsgebäude muss es sein. Und auch bei schönem Wetter bitte nicht draußen sitzen. Nur drinnen ist die aufgeplusterte barocke Üppigkeit dieses ehrwürdigen Ortes mit seinen behüteten Tantchen voll zu genießen. Das Ambiente wird aber erst mit den zwei Millionen Kuchen vollkommen, die des Genießers Augen schon am Eingang entzünden. Deshalb: kein Croissant, kein Hörnchen, kein Schinkenbaguette, sondern ein Stück schwäbische Käse-Aprikosen-Torte. Oder doch die Champagnertorte, den Blaubeerkuchen, die Apfeltarte? Dazu unbedingt hausgemachten Kakao trinken, also richtigen selbstgerührten, durchgekochten braunen Zaubersaft und nicht die Nestlé-Fertigplörre. Ohne Sahne! Beides zusammen ist unschlagbar und macht jeden Knurrkopp zum fröhlichen Menschen.

Ambiente: ***

Genussfaktor: *, bei Kuchen: ***

Eine tazze: ordentlich. Zwei tazzen: kann man nich meckern. Drei tazzen: top!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen