Dänemark hofft auf frischeren Wind

taz-Serie „Jeden Tag ein guter Grund für den Atomausstieg“: Die dänische Windmühlenindustrie drückt die Daumen für den Ausstieg in Deutschland. Sie verspricht sich kräftige Wachstumsraten   ■  Von Reinhard Wolff

Kopenhagen (taz) – Alles, was sich derzeit in Deutschland in Sachen Atomkraftausstieg tut oder nicht tut, wird in den Direktionszimmern einer dänischen Branche besonders genau verfolgt: der Windmühlenindustrie. Verspricht bereits 1999 ein Rekordjahr für den Export ins Nachbarland zu werden, könnte eine baldige Abschaltung einiger Atomkraftwerke die Wachstumsraten schnell verdoppeln bis vervierfachen.

Deutschland ist für die dänische Windradbranche der größte und wichtigste Exportmarkt. Und umgekehrt haben die Dänen in Deutschland einen stolzen Marktanteil gewinnen können: Mehr als 40 Prozent der Neuproduktion trägt die Markenzeichen von NEG Micon, Bonus und Vestas. „Allein in diesem Jahr haben wir unsere Prognosen dreimal nach oben anpassen müssen“, freut sich Sören Krohn vom Verband der Windmühlenindustrie. „Die Deutschen kaufen die richtig großen Mühlen“, so Krohn, „von mehr als einem Megawatt“. Diese Modelle rechnen sich für die Produzenten besonders gut, und Verdienste hat die Branche dringend nötig.

Rekordhohe Wachstumszahlen auf Prozentbasis – in diesem Jahr mehr als 25 Prozent – dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Spanne zwischen schwarzen und roten Zahlen in der Bilanz von einigen Einzelaufträgen abhängig sein kann. Wie schnell der Sturz von einem Börsenspitzenreiter in den Keller gehen kann, musste gerade NEG Micon erfahren, als sich ein vermeintlich profitabler US-Auftrag aufgrund überzogener Liefertermine zu einem saftigen Verlustgeschäft entwickelte.

Daher setzt Dänemarks Windmühlenbranche auf die Realisierung der schon lange geplanten, aber nicht unumstrittenen Offshore-Projekte in Dänemark selbst, in Deutschland und Schweden. Gerade in dieser Woche wurde grünes Licht für die ersten 48 Masten eines großen Offshore-Windmühlenpark an der schwedischen Ostseeküste gegeben.

Die 100 Meter hohen Türme liegen acht Kilometer vom Ufer entfernt nahe der südschwedischen Stadt Malmö. Sollte sich erweisen, dass die von solchen Anlagen ausgehenden Umwelteinwirkungen akzeptabel bleiben, verspricht sich Sören Krohn den Durchbruch für die Branche, die ohne Subventionen noch nicht konkurrenzfähig ist.

Die drei europäischen Länder mit den größten Windkraftanteilen und den höchsten Zuwachsraten – Deutschland, Dänemark und Spanien – haben alle ein System von Mindestpreisen. Windkraft wird direkt aus der Staatskasse oder durch Abgaben der Stromproduzenten auf ihre übrige Produktion finanziert.

Auf solch unsicherem politischem Fundament solle sich die Windbranche lieber nicht bequem machen, warnte kürzlich der dänische Umweltminister Svend Auken. Und schlug ein Auktionsmodell vor, welches die Konkurrenz fördern und die Windenergie bald auf eigenen Beinen stehen lassen soll. Die attraktivsten Offshore-Windlöcher vor der dänischen Küste sollen in Zukunft an den Meistbietenden – der die geringsten oder gar keine Subventionen haben will – versteigert werden. Ähnlich wie die Ölfelder in der Nordsee.

Die großen Offshore-Anlagen sollen den Produktionspreis für Windstrom, der heute in Skandinavien bei etwa acht Pfennig pro Kilowattstunde liegt nach Aukens Vorstellung dann auf ein konkurrenzfähiges Niveau herunterdrükken.

In all dem ungeduldigen Warten auf deutsche Energieweichenstellungen versucht Vagn Erik Pedersen, Energieexperte der dänischen Botschaft in Berlin, allzu hochfliegenden Optimismus zu dämpfen. In einem Rapport für die heimatliche Branche hat er diese laut der Kopenhagener „Politiken“ gewarnt: Deutschland habe solche Überkapazitäten, dass fast alle AKWs schon morgen abgeschaltet werden könnten und trotzdem die Lichter weiterbrennen. Auch ohne neue dänische Windräder.