Beginn eines zähen Prozesses

Gestern begann vor dem Kieler Landgericht der zweite Prozess gegen Safwan Eid. Der Vorsitzende Richter ist an einem zügigen Verfahren interessiert – im Gegensatz zu Eids Verteidigerinnen und den Nebenklägern  ■   Aus Kiel Heike Haarhoff

Die Szene war früh aufgestanden. Um halb acht versammelten sich gestern Morgen erste Autonome vor dem Kieler Landgericht, entrollten Mitglieder antifaschistischer und antirassistischer Initiativen Transparente. „Keine Verfolgung von Opfern rassistischer Anschläge durch Justiz und Medien!“, stand auf einem. „Freiheit für Safwan Eid! Die Nazis vor Gericht!“, nannte ein anderes die Forderung der rund 870 Menschen, die sich darunter scharten, um sich mit dem zu solidarisieren, gegen den seit gestern vor der Zweiten Großen Jugendstrafkammer des Kieler Landgerichts verhandelt wird: den Libanesen Safwan Eid, 23.

Eid wird zum zweiten Mal verdächtigt, im Januar 1996 ein Asylbewerberheim in Lübeck in Brand gesteckt zu haben. 10 Menschen starben, 38 wurden teils schwer verletzt. Eid, der zum Tatzeitpunkt selbst als Flüchtling in dem Haus lebte, soll in der Brandnacht einem Rettungssanitäter anvertraut haben: „Wir waren's.“

Mit kerzengrader Haltung und ernster Miene betritt Eid den Gerichtssaal. Er streicht den grauen Anzug glatt, setzt sich, der Blick wandert durch die Zuschauerreihen. Einige grinsen ihm zu. Eid nickt zurück. Viele seiner „Unterstützer“ sind ihm noch bekannt.

Bereits vor drei Jahren hatte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Eid eingeleitet, das im Juni 1997 mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete. Die Ursache des Brandes blieb ebenso ungeklärt wie sein Ausbruchsort; immer noch fraglich ist, welche Rolle vier Jugendliche aus dem rechtsradikalen Milieu spielten. Sie waren in der Brandnacht mit einem leeren Benzinkanister im Kofferraum in Lübeck gesehen worden. Nun wird der Prozess neu aufgerollt – nicht auf Wunsch der Staatsanwälte, sondern auf Druck der Nebenkläger, der Familie El-Omari. Sie lebte ebenfalls in dem Haus und verlor ein Kind in den Flammen.

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hatten die El-Omaris durchgesetzt, dass umstrittene Abhörprotokolle von Gesprächen, die Eid mit seiner Familie während seiner Untersuchungshaft geführt hatte, sehr wohl als Beweismittel vor Gericht eingesetzt werden dürfen. Erstens sei ein Knast keine Wohnung mit schützenswerter Privatsphäre, zweitens enthielten die Protokolle Hinweise auf einen Tatverdacht. Beides hatte das Gericht in Lübeck bestritten, beides führte nun dazu, dass das BGH den Fall nach Kiel zur Neuverhandlung verwies.

Der dortige Vorsitzende Richter Jürgen Strebos weiß, was auf ihn zukommen kann. Beim letzten Mal hörte das Gericht in achtmonatiger zäher Verhandlung 120 Zeugen. Darauf hat der Mann sichtlich keine Lust. Strebos ist an einem zügigen Verfahren interessiert. Er schlägt vor: Zunächst sollen Zeugen und Sachverständige nur nach solchen Indizien befragt werden, „die darauf hindeuten könnten, dass die Anklage gestützt wird“. Sollten diese Indizien nicht ausreichen, Eid der Täterschaft zu überführen, könne der Prozess im Grunde beendet und Eid freigesprochen werden.

Strebos hat nicht mit Eids Verteidigerinnen gerechnet. Gabriele Heinecke sieht aus, als würde sie dem Richter gleich an die Kehle gehen. „Einseitig“ und „nicht zulässig“ sei dieses Vorgehen, eine „reduzierte Beweisaufnahme“. Auch der Vertreter der El-Omaris ist verstimmt, wenn auch aus anderem Grund: Der „hinreichende Tatverdacht“ bestehe ja bereits – und könne nicht einfach so durch ein paar Zeugenaussagen aufgehoben werden.

Ohnehin solle besser gegen die vier Rechtsradikalen ermittelt werden, schimpft Heinecke, bis der Richter sie ermahnt: „Wir wollen jetzt die Vergangenheit beiseite lassen.“ Richtig, motzt Heinecke zurück, es gehe einzig um die Abhörprotokolle, folglich müssten die als Erstes verhandelt werden. Doch die Protokolle können aus Personalmangel vor Mitte September nicht aus dem Arabischen übersetzt werden, argumentiert der Richter.

Die Beteiligten legen eine Pause ein und einigen sich, den Prozess nach nur dreieinhalb Stunden Dauer vorerst zu unterbrechen. Die Termine für die nächste Woche werden abgesagt, der Prozess wird am 13. September mit einem einzigen Zeugen fortgesetzt.