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Nebenschauplatz Campus

Die Zahl der TeilzeitstudentInnen wächst. Wer neben dem Job ein Studium draufsattelt, hat im Beruf oft bessere Chancen. Die ersten Universitäten bieten Teilzeitstudiengänge, manchmal virtuell   ■  Von Matthias Steube

TeilzeitstudentInnen sind noch immer unbekannte Wesen. Oder muss es heißen: ignorierte Wesen? Denn seit Jahren bringen es Untersuchungen wie die Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes an den Tag: Die Zahl derer wächst, die studieren, obwohl sie mit beiden Beinen fest im Berufsleben stehen. Doch Hochschulen und Politik halten am traditionellen, grundständigen Vollzeitstudium fest. Die Motive der Studierenden, den Campus nicht mehr als den dominierenden Mittelpunkt des Lebens zu begreifen, sind unterschiedlich.

Die einen folgen dem Ruf, der da lautet: Praxis, Praxis und nochmals Praxis. Sie holen sich das, was die Universität nur selten bietet, was für einen erfolgreichen Berufsstart aber nötig ist, auf eigene Faust und nehmen Seminare und Vorlesungen gleichsam nebenher mit.

Andere wollen und können nicht überhören, wenn der Sprössling nach Papa oder Mama ruft. Statt ins Labor gehen sie ins Kinderzimmer, um dem Forschergeist des Nachwuchses zu assistieren.

Und wieder andere müssen sich anhören: Keine Chance auf Bafög. Sie machen einen Job, um zu leben und nebenbei noch ein wenig studieren zu können. Nach den neuesten Erhebungen des Studentenwerks ist ein Viertel der Studierenden dauerhaft erwerbstätig.

Schließlich hören auf den Namen Teilzeitstudent noch jene, die bereits fest im Berufssattel sitzen, für ihr Fortkommen aber zusätzlich abends und in Blockseminaren am Wochenende die harten Hörsaalbänke drücken. Und das lohnt sich. Wer neben einem stressigen Full-Time-Job mit lässigem Wimpernschlag noch ein komplettes Studium hinter sich bringt, beeindruckt Arbeitgeber auf der Suche nach belastbaren, motivierten Mitarbeitern – sofern er durch die Doppelbelastung im Arbeitsalltag nicht am Krückstock geht.

Alle Teilzeitstudierenden gemeinsam haben ein Problem: Wo finden sie den richtigen Studiengang, mit Angeboten, die zeitlich so flexibel gestaltet sind, wie es die jeweiligen Lebensumstände erfordern.

Viele Möglichkeiten bietet die Fernuniversität Hagen. 33.000 Teilzeitstudenten waren dort im vergangenen Wintersemester eingeschrieben. Nur 8.500 von ihnen studierten Vollzeit. Auf dem virtuellen Campus tummeln sich Sportpromis wie Oliver Bierhoff und Lars Rieken. Sie erforschen als angehende Wirtschaftswissenschaftler Waren- und Geldkreisläufe. Für künftige Sportmanager ein unverzichtbares Muss.

Hagen bietet eine ganze Palette von Diplom- und Magisterstudiengängen, die neben dem Beruf zu schaffen sind.

Und wer es schafft hat, bei Unternehmen gute Karten. „Als junge Akademiker mit Berufserfahrung entsprechen sie genau dem Anforderungsprofil, das Unternehmen an Nachwuchsführungskräfte stellen“, sagt Christian Näser von der Kienbaum Unternehmensberatung in Gummersbach.

Schwieriger als die Kommilitonen in Hagen haben es Wissenshungrige wie Gerd Paulsen. Er betreibt mit zwei Freunden ein Grafikstudio und studiert nebenher Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Berlin. „Der Betrieb geht vor“, sagt er und findet es „recht mühsam, Lehrveranstaltungen zu finden, die in meinen Zeitplan passen“. Trotzdem macht Paulsen weiter. „Ich kann ja später erklären, warum ich fürs Studium mehr Zeit als üblich gebraucht habe“, meint der 25-Jährige.

Für Bildungspolitiker wie den baden-württembergischen Kultusminister Klaus von Trotha hat Paulsen überhaupt kein Verständnis. Der will ein „generelles Teilzeitstudium“ nicht zulassen. Begründung: Man könne sich dem Studium nicht so intensiv widmen, brauche länger, die Finanzierungsprobleme würden daher letztlich größer. „Weltfremd“, sagt Paulsen und schüttelt den Kopf. Schließlich müssen laut Studentenwerk ohnehin siebzig Prozent der Studierenden nebenher arbeiten. Nur langsam reagieren Hoch- und Fachhochschulen auf diese Tatsache.

So hat sich die Münchner Hochschule für Politik ganz den Erwerbstätigen verschrieben und bietet all ihre Lehrveranstaltungen nachmittags und abends an. Speziell Teilzeitstudiengänge (VWL und BWL) mit längeren Regelstudienzeiten und großzügigeren Prüfungsfristen. Und schließlich wollen Hochschulrektorenkonferenz und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im Herbst zu einem Workshop einladen, um so genannten dualen Studiengängen an den Fachhochschulen zum Duchbruch zu helfen und betriebliche Praxis mit der Hochschultheorie besser zu verzahnen. Denn auch für den Azubi-Studenten gilt immer noch: ein weithin unbekanntes Wesen.

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