piwik no script img

Human im Einzelfall

Nach 13 Jahren in Hamburg muß eine Ghanaerin darauf hoffen, dass heute der Eingabenausschuss der Bürgerschaft sie zum Altfall erklärt  ■ Von Elke Spanner

Die rot-grüne Koalitionsvereinbarung über den Umgang mit Flüchtlingen in Hamburg steht erneut auf dem Prüfstand. Im Fall der Ghanaerin Georgina G. wird heute der Eingabenausschuss der Bürgerschaft darüber befinden, ob für sogenannte Altfälle „humanitäre Einzelfalllösungen“ in der Praxis gefunden werden. Genau das war in der „politischen Verständigung“ zwischen SPD und GAL, welche die Fraktionsspitzen zusammen mit SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage im Juli in einer nächtlichen Marathonsitzung ausgehandelt hatten, vereinbart worden.

Georgina G. lebt seit 13 Jahren in Hamburg, ihre 5jährige Tochter Roda wurde hier geboren. In der Ausländerbehörde liegt die Akte der Familie bereits auf einem Schreibtisch der Abschiebeabteilung. Ob die beiden in Hamburg bleiben können oder nach Ghana ausreisen müssen, muss nun der Eingabenausschuss entscheiden.

Zurück geht die Koalitionsvereinbarung auf ein Versprechen der Bonner Regierungspartner vom Herbst 1998, eine Regelung für AusländerInnen zu treffen, die seit mehreren Jahren mit unsicherem Status in Deutschland leben. Diese „Altfallregelung“ liegt bisher jedoch noch nicht vor. In diesem Schwebezustand ist es der Entscheidung der einzelnen Bundesländer überlassen, wie sie mit den AusländerInnen verfahren, die unter die künftige Regelung fallen könnten.

Schleswig-Holstein etwa hat einen formellen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge erlassen, die als sogenannte Altfälle ein Bleiberecht bekommen könnten: Familien, die seit sechs Jahren in Deutschland leben und Erwachsene ohne Kinder, die sich seit acht Jahren hier aufhalten. Das ebenfalls rot-grün regierte Hamburg hat hingegen keinen Abschiebestopp. Hier verständigten sich die Koalitionspartner nur darauf, bis zum Inkrafttreten der Bundesregelung die Einzelfälle humanitär zu lösen.

Auf diese Vereinbarung verweist die kirchliche Beratungsstelle „Fluchtpunkt“, die für die Ghanaerin Georgina G. und ihre Tochter die Petition beim Eingabenausschuss eingereicht hat. Da G. seit 13 Jahren in Hamburg lebt, eine eigene Wohnung bewohnt und einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, erfülle sie sämtliche Voraussetzungen der etwaigen Altfallregelung. Die Tochter, so heißt es weiter, „ist ausschließlich in der Bundesrepublik aufgewachsen und hat keinen Bezug mehr zum Heimatland ihrer Mutter“.

Am 19. August hat „Fluchtpunkt“ die Ausländerbehörde gebeten, G. eine Duldung bis zum Inkrafttreten der Altfallregelung auszustellen. Statt dessen, so heißt es in der Petition, habe das Amt deutlich gemacht, die Familie abzuschieben.

„Da ein Petitionsverfahren läuft, können wir uns zu dem Fall nicht äußern“, sagt Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal. Dass es zur Petition überhaupt erst kommen musste, erklärt Anne Harms von „Fluchtpunkt“ damit, dass „die SachbearbeiterInnen die Koaliti-onsvereinbarung nicht im Blick haben: Man muss in jedem einzelnen Fall darauf pochen“.

Bei einem Ehepaar aus Pakistan hat das zumindest zu einem Erfolg geführt. Ihnen hat die Ausländerbehörde in der vorigen Woche zugesagt, die Altfallregelung abzuwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen