: Adieu Aidshilfe, Ciao Kinderbetreuung
■ Die von SPD und CDU beschlossene Sparquote für das Sozialressort übertrifft die schlimmsten Erwartungen / Internes Haushaltspapier geht klar von Schließungen aus
Geschlossene Frauenhäuser und Jugendclubs sahen die Grünen im Juni voraus. Jetzt nähert sich das düstere Szenario der Wirklichkeit – und sieht, so die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert, noch düsterer aus: Erstmals rechnete die Behörde das Sparprogramm für den Sozialbereich durch – und kommt danach zum trocken-verzweifelt formulierten Schluss: Es wird den „Fortfall von als unentbehrlich beachteten Leistungen bedeuten.“
Im Klartext ein mögliches Aus nicht nur für Frauenhäuser sondern auch für Altentagesstätten, Aidshilfe- oder Schuldenberatungsstellen. Die listen die Haushälter der Behörde in ihrem Sparpapier zur internen Haushaltsberatung als „besonders betroffen“ auf. Aber auch die Kindertagesbetreuung sehen sie massiv bedroht: Bis zum Jahr 2005, so die Berechnung, sind dort sage und schreibe über 60 Millionen Mark wegzusparen.
Die Weichen dafür stellten SPD und CDU in ihren Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Juni: Um in Bildung und Kultur investieren zu können, wolle man „vor allem im Sozialbereich kürzen“, erklärte damals CDU-Landeschef Bernd Neumann. Für städtische Zuschüsse an Kirchen und freie Träger für Kitas, Altentagesstätten etc. wurde deshalb einfach eine jährliche Kürzungsquote von 2,1 Prozent festgeklopft. Mittlerweile liegt sie bei drei Prozent: Die versprochene Etaterhöhung für Bildung/Kultur wurde auf sämtliche Ressorts umgelegt.
Die Folgen allein für den Kinderbetreuungsbereich sind verheerend: Kumuliert bis zum Jahr 2005 ergeben sich so Kürzungsquoten von satten 17 Prozent für KTHs, Eltern-Kind-Gruppen und Spielkreise. Dazu kommen jährlich 2,8 Millionen Mark KTH-Einsparung als Folge des Wibera-Gutachtens – und erstmals ganze 17 einzusparende Stellen in den städtischen Kitas aufgrund von Tarifsteigerungen.
Ebenso schwarz sieht es aber auch bei dem von SPD und CDU festgeklopften Nullwachstum für die Sozialleistungen (Sozialhilfe, Hilfe für Drogenabhängige etc.) aus. Das Investitionsprogramm schaffe ja neue Arbeitsplätze, hieß es damals zur Begründung. Das Nullwachstum aber hält das Ressort für „nicht erreichbar“: Das rot-grüne Sparpaket aus Berlin belaste den Etat um 30 Millionen Mark (z.B. wegen des Wegfalls originärer Arbeitslosenhilfe). Für das aufzustockende Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ (von 1.000 auf 2.000 Stellen) brauche man zudem satte 35 Millionen Mark.
Die Folge: Selbst gekürztes Kleidergeld für Sozialhilfe-EmpfängerInnen (die taz berichtete) und das vermehrte Heranziehen von Unterhaltspflichtigen helfen nicht weiter. Ebenso wenig Ein-sparungen durch das aufgestockte Arbeitsprogramm. Denn das würde den Haushalt erst nach 2005 spürbar entlasten. Ergo entstehe Mehrbedarf, den der Gesamtsenat eigentlich laut Koalitionsabsprache auszugleichen hat. Und das führe „zu einem dauerhaften Konflikt um die Sozialleistungen mit entsprechender öffentlicher Begleitung“, spricht das Papier dezent mögliche CDU-Kürzungsforderungen bei der Sozialhilfe an.
Doch statt „Lösungen“ gibt es nur weitere Probleme: Mögliches Sparpotential durch neue Budgetierung im Behinderten-, Drogenhilfe- und Psychiatriebereich (siehe S. 22) sei schwer umzusetzen, wenn „im Grunde kein Spielraum“ mehr da ist, formulieren die Haushälter Eckpunkte für das anstehende Chefgespräch zwischen SPD-Sozialsenatorin Hilde Adolf und Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) – und fordern deshalb als letzte Konsequenz – wie für Eichels Sparpaket – ein neues „Haushaltsstrukturgesetz“: Damit die gesamte Regierung die Einschnitte verantwortet. kat
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