: Bischof in Ruanda wegen Völkermords vor Gericht
■ Zeugen werfen Bischof Augustin Misago vor, während des Völkermords von 1994 in Ruanda Tutsi in den Tod geschickt zu haben. Heute wird er vom Vatikan unterstützt
Berlin/Brüssel (taz) – Sich selbst vergleicht er mit Jesus, seine Feinde vergleichen ihn eher mit Satan. Augustin Misago, Bischof von Gikongoro in Ruanda, steht seit gestern in Ruandas Hauptstadt Kigali unter dem Vorwurf des Völkermords vor Gericht – der erste hochrangige Kirchenvertreter, dem wegen der mutmaßlichen Beteiligung an der Ermordung von über 800.000 Menschen durch Armee und Hutu-Milizen 1994 der Prozess gemacht wird.
Zahlreiche Zeugenaussagen haben belegt, welche fatale Rolle Missionare und Priester in Ruanda bei der Festlegung von Hutu- und Tutsi-Stereotypen geleistet haben. Vincent Nsengiyumva, 1976 – 94 Erzbischof von Kigali, saß im Zentralkomitee der Regierungspartei MRND, deren Miliz „Interahamwe“ 1994 Haupttäter beim Genozid war.
Der Vatikan hat sich jedoch nie mit seiner Verantwortung im zutiefst christlichen Ruanda auseinander gesetzt. Bei den Gedenkzeremonien zum 5. Jahrestag des Beginns des Völkermords am 7. April dieses Jahres war Ruandas Präsident Pasteur Bizimungu hart mit der katholischen Kirche ins Gericht gegangen. „Die Kirche muss ihre Verantwortung annehmen“, hatte er gesagt. „Wenn sie es nicht tut, wird die ruandische Regierung eingreifen.“ Das dauerte nicht lange. Am 16. April wurde Bischof Misago verhaftet. Die Vorwürfe gegen ihn hatte Rakiya Omaar, Leiterin der Menschenrechtsorganisation „African Rights“, bereits ein Jahr vorher in einem Brief an den Papst zusammengefasst: Priester und Geistliche könnten bezeugen, dass der Bischof Zuflucht suchende Tutsi abgewiesen und sie an einen Ort geschickt habe, wo sie dann alle ermordet worden seien. Und er habe an „Sicherheitsbesprechungen“ mit dem örtlichen Präfekten und an den Massakern beteiligten Armeeoffizieren teilgenommen. Bereits am 9. April hatte Misago in einem eigenen Brief die Anschuldigungen als „orchestrierte Verleumdungen“ bezeichnet.
Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro nannte die Verhaftung „eine äußerst schwere Beleidigung, nicht nur für die ruandische Kirche sondern für die römisch-katholische Kirche insgesamt“. Der Schritt habe „die Beziehungen zwischen Ruanda und dem Heiligen Stuhl ernsthaft belastet“. Darauf antwortete Ruandas Regierungssprecher Wilson Rutayisire: „Wir glauben nicht, dass er (Misago) im Namen der katholischen Kirche gehandelt hat. Aber wenn die katholische Kirche denkt, dass er in ihrem Namen handelte, sollte sie zu ihren Völkermordverbrechen Stellung nehmen.“
Für Ruandas aktive Katholiken ist die Affäre sehr problematisch, da sie nun ohne eigenes Zutun als Anhänger einer der Regierung feindlich gesinnten Organsiation gelten. Aber die Affäre Misago hat eine internationale Debatte in Gang gesetzt. Kritische Katholiken in Frankreich haben in der Zeitschrift Golias eine Liste von 60 ruandischen Priestern veröffentlicht, die der Beteiligung am Völkermord verdächtigt werden und die von Freunden in Belgien, Frankreich und Italien außer Landes gebracht worden seien.
Der jetzt begonnene Prozess – der bereits einmal vertagt wurde – wird in diesem Klima kaum zur Wahrheitsfindung beitragen. Die Anklageschrift umfasst 300 Seiten, die Anklagepunkte „Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ könnten die Todesstrafe nach sich ziehen – wenn Misago nicht gesteht. Das hat er nicht vor. Stattdessen bezahlt ihm die Kirche einen der besten Anwälte Ruandas. Dominic Johnson
François Misser
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