: Laberfaktor unter der Lupe
Die Hamburger Bürgerschaft will jetzt intensiv über den Atomausstieg beraten. SPD und GAL sind voller Hoffnung ■ Von Sven-Michael Veit
„Es geht voran“, verkündete Renate Vogel. Der Einstieg in den Atomausstieg sei „realistisch geworden“, behauptete die umweltpolitische Sprecherin der SPD- Fraktion gestern in einer weitgehend ernsthaften Bürgerschaftsdebatte. Die Regenbogen-Gruppe hatte beantragt, „gefährliche und unwirtschaftliche Atomreaktoren der HEW stillzulegen“.
Deren Abgeordneter Lutz Jobs hatte zuvor diese Forderung damit begründet, dass die von den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) betriebenen Reaktoren Stade, Brunsbüttel und Krümmel unwirtschaftlicher seien als neue Gas-und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD).
Jobs bezog sich dabei auf ein Gutachten, das Anfang Juli für die Umweltbehörde des GAL-Senators Alexander Porschke erstellt worden war. Darin hatten die Berliner Beratungsfirma LBD und das Freiburger Öko-Institut errechnet, dass die Stromerzeugungskosten in GuD-Anlagen deutlich billiger seien als in den Atomkraftwerken Stade und Brunsbüttel und – unter bestimmten Bedingungen – auch in Krümmel. Lediglich der jüngste der vier HEW-Reaktoren in Brokdorf sei ökonomischer. Da die Hamburgischen Electricitätswerke „laut Satzung zum Ausstieg aus der Atomkraft aus wirtschaftlichen Gründen verpflichtet“ seien, müsse der Senat als Mehrheitsaktionär deshalb auf die HEW „umgehend hinwirken, diese AKWs stillzulegen“, forderte der Regenbogen-Abgeordnete. Und, sollte dies nicht erfolgreich sein, „personelle Konsequenzen im HEW-Vorstand durchsetzen“.
Man werde zunächst, wandte Vogel ein, die Anhörung über dieses Gutachten am 27. September abwarten, in der Experten die Aussagen der Studie unter die Lupe nehmen werden. Sie gehe davon aus, dass diese Veranstaltung „sehr spannend“ werde, erklärte Vogel hoffnungsfroh. Umweltsenator Porschke bekräftigte seinen Willen, einen „eigenen Beitrag Hamburgs zur Abschaltung von Atomreaktoren zu leisten“. Das Gutachten sei „sehr hilfreich für einen Ausstieg ohne Entschädigungen an die Energiewirtschaft“. Neue Gespräche zwischen Senat und HEW über Stilllegungen würden unmittelbar im Anschluss an das Hearing aufgenommen werden. Eine politische Entscheidung für den Ausstieg, so der Umweltsenator, „rückt näher“.
Norbert Hackbusch vom Regenbogen machte hingegen aus seiner Enttäuschung über die Politik seines langjährigen GAL-Mitstreiters Porschke keinen Hehl: „Der Senat ist konfliktscheu“, polterte er, weitere Gespräche mit den HEW hätten lediglich „einen hohen Laberfaktor“.
Obwohl SPD und GAL den Regenbogen-Antrag als „wenig diskussionswürdig“ einstuften, stimmten sie einer intensiven Beratung im Umweltausschuss zu.
Die HEW werden sich nach Informationen der taz auch weiterhin zu dem GuD-Gutachten nicht äußern. Dazu müssten vertrauliche Zahlen offengelegt werden, und dies „kommt nicht in Frage“, verlautet aus der Vorstandsetage. Dass diese Taktik des öffentlichen Ignorierens als Bestätigung des Gutachtens aufgefasst werden könnte, wird mit einem Schulterzucken kommentiert: „Derartige Spekulationen können wir nicht beeinflussen.“
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