: Nachwachsende Druckrohre
■ Renaissance einer uralten und umweltverträglichen Technik: Im Schwarzwald baut ein Zimmermann Rohrleitungen aus Holz, die ebenso haltbar sind wie Wasserrohre aus Stahl
Ungläubige Blicke ist Ernst Zwick gewohnt. Denn der Zimmermeister aus Donaueschingen im Schwarzwald-Baar-Kreis hat eine alte Technik wiederbelebt: Er baut für Wasserkraftwerke Druckrohre aus Holz. Die Fragen der Zuhörer sind immer die gleichen, wenn der Schwarzwälder seine Spezialität präsentiert: „Verfaulen die nicht zu schnell?“ Doch solche Bedenken sind schnell ausgeräumt. Das Holz halte mindestens so lange wie Stahl, sagt Zwick: „In Schweden gibt es Holzleitungen, die sind 115 Jahre alt.“ Selbst bei ungünstigen Bedingungen seien 60 Jahre das Minimum.
Vor vier Jahren nahm er ein eigenes Wasserkraftwerk unweit seines Holzbau-Unternehmens am Donau-Quellfluss Breg in Betrieb. Selbstverständlich hat er das 700 Meter lange unterirdische Druckrohr komplett aus Kiefernholz gefertigt. Fast 600 Kubikmeter Holz hat er für die Röhre mit zweieinhalb Meter Durchmesser benötigt. Inzwischen hat Zwick schon mehrere Kraftwerke im Schwarzwald mit seinen Holzrohren bestückt, gerade entsteht ein neues Werk im Dreisamtal bei Freiburg.
Die Holztechnik biete viele Vorteile, sagt der Zimmermeister, der außer Holzrohre auch Blockhäuser, Fachwerkhäuser und Treppen baut. So seien die Reibungsverluste vergleichbar mit Kunststoff und geringer als bei Stahl. Im Laufe der Zeit nähmen die Reibungsverluste auch nicht zu, da sich am Holz weder Partikel noch Kalk ablagern können. Am Holz bilde sich eine schleimige Schicht, die so glatt werde, dass man sich im Rohr kaum fortbewegen könne. Und preisgünstig sind die „nachwachsenden Rohre“ obendrein: immerhin ein Drittel billiger als solche aus Stahl.
Es ist ein historisches Handwerk, das Zwick wiederbelebt. Die ersten Holzrohrleitungen entstanden in der Zeit zwischen 3.000 und 4.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung aus Baumstämmen, sogenannten Deicheln. Die Stämme wurden mit einem Bohrer ausgehöhlt, der in einer Halbrundform geschmiedet war. Diese Methode war nicht ideal, weil zum einen nur Innendurchmesser bis 150 Millimeter möglich waren, zum anderen eine beträchtliche Menge Holz verbraucht wurde. So wurde später das Holzdaubenrohr entwickelt, das Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals in Nordamerika konstruiert wurde. Bei diesem wird ein aus mehreren Teilen zusammengesetzter Rohrkörper mit Flachstahlbändern zusammengehalten – ähnlich einem Holzfass. Die einzelnen Bohlen werden Dauben genannt. In Deutschland wurden die ersten Holzdaubenrohre Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt.
Heute nutzt man für Holzrohre ausschließlich Kiefern-, Lärchen- und Douglasienholz, das reich an natürlichen Harzen ist. Eine chemische Behandlung des Baustoffes ist nicht notwendig, weil Holz, das ständig dem Wasser ausgesetzt ist, nicht durch Pilze und Insekten zerstört werden kann. Damit sind die Rohre unschlagbar ökologisch – zumal sie nach ihrer langen Nutzungszeit besser als jedes andere Material entsorgt werden können.
Auch technisch sind ihre Eigenschaften bestechend. Die Rohre können mehrere Kilometer lang sein, ohne dass Dehnvorrichtungen eingebaut werden müssen, weil Holz in der Länge praktisch nicht quillt. Da Holzdaubenrohre sehr elastisch sind, können sie selbst in geologisch sehr unruhigem Gelände verlegt werden, zum Beispiel auch an Gebirgshängen; sie passen sich Verschiebungen des Untergrundes recht gut an.
Der Einsatz von Holzdaubenrohren ist vielfältig, ihr Durchmesser kann zwischen 80 Zentimetern und drei Metern liegen, die Fallhöhen können bis zu 40 Meter betragen. Das heißt: Die Rohre, aus 40 bis 80 Millimeter dicken Holzbohlen gefertigt, halten einem Wasserdruck bis zu vier Bar problemlos stand. Und vor allen Dingen sind die Holzrohre sehr flexibel zu verlegen: Krümmungen der Rohrleitungen werden erst auf der Baustelle durch den Zuschnitt der Bretter individuell gestaltet.
Bernward Janzing
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