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Jeder Siebte wohnt bei der Gewoba

■ Ausstellung: „Symbole der Stadtentwicklung“ zeigt Baugeschichte der 75 Jahre alten Baugenossenschaft

Mit dem „Gewerkschaftsblock“ in Gröpelingen beginnt 1924 in Bremen die Zeit des emsigen Wohnblockbauens. Denn: der Erste Weltkrieg und die anschließenden Nachkriegsjahre hatten eine Dekade lang für Stillstand im Woh-nungsbau gesorgt. Fazit: Viele Bremer fanden keine Unterkunft. Um diesen Missstand zu beseitigen, gründeten schließlich 1924 Bremer Arbeitnehmerverbände die „Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der freien Gewerkschaften für Bremen und Umgebung“, kurz GEWOBA. Nach mittlerweile 75 Jahren bewirtschaftet die Wohnungsbaugesellschaft rund 46.000 Wohnungen im Land Bremen und nach eigener Aussage wohnt „etwa jeder siebte Bremer“ bei der GEWOBA. In der extra für das Jubiläumsjahr gestalteten Ausstellung „Symbole der Stadtentwicklung“ lassen sich eindrucksvoll die unterschiedlichen Jahrzehnte Architektur nachvollziehen. Von befremdlichen Wohnsilos wie in den Siebzigern in Gröpelingen und vor allem Tenever hochgezogen bis hin zum schönen, neu-konzipierten „Bremer Haus“ der Jetztzeit.

An der Massenwohnungsbauweise der Anfangszeit kann sich heute kaum noch jemand erfreuen. Was 1954 als “modern“ und als „ein Symbol des Wiederaufbaus“ gegolten hat, wirft heute die Frage auf, woran die Architekten wohl mehr interessiert waren: an ihrer innovativen Baukunst oder dem Wohlbefinden der Mieter? Denn wer zum Beispiel das 50er-Jahre Hochhaus in der Schifferstraße in Utbremen kennt, der wird das hohe Gefühl vergangener aber einst moderner Architektur wohl kaum noch nachvollziehen können. Dennoch: einige Häuser stehen bereits heute unter Denkmalschutz – wie das Aalto-Hochhaus in der Neuen Vahr – und faszinieren noch immer einige Besucher mit ihrer gewaltigen, in diesem Fall 21-stöckigen Präsenz. Beim Anblick der architektonischen Auswüchse der sechziger und siebziger Jahre mag es manchem Betrachter eiskalt über den Rücken laufen: Wie Baumstämme in den Boden gerammt, ragen die Wolkenkratzer gen Himmel. Kaum Platz für etwas Grün.

Doch nicht nur Hochhäuser mit günstigen Wohnungen für die ärmere Bevölkerungsschicht hat die GEWOBA gebaut, sondern auch alte Gebäude wie den „Wiener Hof“ vor dem Abriss bewahrt und geschmackvoll restauriert. Mit dabei ebenso Großprojekte wie die Bremerhavener Stadthalle oder das Columbuscenter. Dass die Zeit grauer großer Wohnungsklötze vorbei ist, zeigen die Projekte der vergangenen zehn Jahre: mehr Farbe, eigenwillige Formen und Verwinkelungen prägen die neuen Häuser. Auch die Renaissance des „Bremer Hauses“ birgt weitaus mehr Lust am Gestalterischen als noch vor zwanzig Jahren. Aber ungeachtet dessen ob einem der Stil der 70-er oder der 90-er-Jahre besser gefällt: Wer Bremens Architektur kennen lernen will, kommt um die Gewoba nicht herum. san

Die Ausstellung ist bis 8. Oktober wochentags von 10 bis 18 Uhr im Nachbarschaftshaus Helene Kaisen, Ohlenhof 10, zu sehen.

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