: Linke Grüne fordern Kurskorrektur
■ Der „technokratischen Sparpolitik“ der Regierung muss ein „sozial-ökologisches Reformprojekt“ entgegengesetzt werden. Nicht die Partei, sondern die Fraktion reformieren
Berlin (taz) – Was der kleine Oskar kann, das können die großen Grünen allemal. Als alle Welt das politische Vermächtnis Oskar Lafontaines (SPD) fledderte, da trafen sich rund hundert linke, vor allem aber unzufriedene Bündnisgrüne. In einem Berliner Jugendzentrum mit dem beziehungsreichen Namen „Alte Pumpe“ forderten sie einen „Richtungsstreit und eine klare Kurskorrektur“ – in der Regierung genau wie in der Partei. Es sei unverzichtbar der „neuen Mitte ein sozial-ökologisches Reformprojekt entgegenzusetzen“, sagte die Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach.
Der Satz der Arbeitsmarktexpertin, die zu so etwas wie die Seele der Linken bei den Grünen geworden ist, steht programmatisch für die Resolution „Kurswechsel jetzt“, die gestern verabschiedet wurde. Darin heißt es, dass die Sparpolitik der rot-grünen Bundesregierung sozial unausgewogen sei. Die AutorInnen beklagen, dass die Mehrheit der Grünen-Bundestagsfraktion als der „Motor einer technokratischen Sparpolitik der sozialen Kälte“ auftrete. Aufgabe der Grünen sei es aber im Gegenteil, Alternativen zur „neoliberalen Fehlorientierung des Schröder-Blair-Papiers“ aufzuzeigen.
Zu den neuen, in Wahrheit aber alten und urgrünen Politikangeboten gehören: Arbeitszeitverkürzung, öffentliche Beschäftigung, die Einführung einer Vermögensabgabe/-steuer – und Diskussionsforen. Sie sollen helfen, „Solidarität neu zu verfassen“ oder die Gesellschaft auf Nachhaltigkeit hin umzubauen.
Starke Worte fanden die Minderheitsgrünen zum Verhältnis von Partei und Fraktion. Bei den Bundestagsgrünen rufe es inzwischen „körperliches Unwohlsein“ hervor, berichtete Christian Ströbele, wenn man soziale Gerechtigkeit oder andere grüne Programmpunkte anspreche. Die nordrhein-westfälische Parteisprecherin Barbara Steffens machte die Fraktion sogar verantwortlich für die Krise der Partei: „Die Probleme sind die, die aus der Fraktion kommen.“ Jeder, auch ausgewiesen liberale Grüne wie die Wirtschaftssprecherin Margareta Wolf oder Matthias Berninger, könne sich dort anmaßen, „für das ganze grüne Projekt zu sprechen“, sagte Steffens – und forderte eine Strukturreform in der Fraktion.
Gila Altmann wies zusammen mit der Mehrheit der DiskutantInnen in der „Alten Pumpe“ eine Parteireform zurück, bei der die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben werden soll. Es sei denn, spielte die Staatssektretärin im Umweltministerium auf das parlamentarische Ende ihrer Partei an, „man spekuliert darauf, dass eh bald keiner mehr ein Amt innehat“. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen