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PDS sucht Klassenfeind für gelegentliche Treffs

In Berlin üben sich die Sozialisten in Annäherungsversuchen an die CDU. Auf Landesebene sollen „die beiden großen Volksparteien“ an einen Tisch. Das Ziel der PDS: Den Kalten Krieg beenden – und die eigene Stigmatisierung überwinden  ■   Von Andreas Spannbauer

In der Berliner PDS wächst das Selbstbewusstsein. „Die beiden großen Volksparteien“, sagt der PDS-Landespolitiker Uwe Doering, „müssen aufeinander zugehen.“ Zu den großen Volksparteien zählt man in der Parteizentrale, dem Karl-Liebknecht-Haus, neuerdings die CDU und – die PDS. Meinungsforscher schließen nicht mehr aus, dass die Sozialisten bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am kommenden Sonntag der SPD den Rang als zweitstärkste Partei ablaufen könnten. Jetzt bemüht sich die PDS um ein besseres Verhältnis zum Klassenfeind. Sie wirbt für eine Annäherung zwischen CDU und PDS.

Der Grund für die Avancen: Die PDS wird in Ostberlin auf absehbare Zeit die stärkste Kraft bleiben. Auftrieb erhielten die Genossen unlängst durch die Ergebnisse in Thüringen und Sachsen, wo die PDS die Sozialdemokraten längst überholt hat. In vielen Wahlkreisen im Ostteil Berlins werden der PDS 30 bis 40 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Die CDU dagegen hält iM Westteil der Stadt die unbestrittene Mehrheit.

Die PDS wirbt angesichts dieser Konstellation für Tauwetter. „Die Christdemokraten zementieren mit ihrer Blockadehaltung gegenüber der PDS die Teilung der Stadt“, warnt Harald Wolf, der PDS-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. Die CDU grenze mit dieser Strategie den Osten aus, sagt Wolf – und plädiert für eine Art friedliche Koexistenz. „Die müssen endlich merken, dass der Kalte Krieg zu Ende ist.“ Parteichef Gregor Gysi mahnt gar, dass CDU und PDS die „Hauptverantwortung für die Überwindung der Spaltung der Stadt“ zukomme. Die beiden Parteien müssten „das leisten, was die SPD nicht kann“.

Auch die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau wünscht sich „ein normales Verhältnis zwischen konkurrierenden Parteien“. Auf Landesebene müsse endlich realisiert werden, was in den Bezirken längst gängige Praxis sei: „Dort sitzen CDU und PDS an einem Tisch.“ Die PDS habe noch nie Berührungsängste gehabt, „auch nicht gegenüber der CDU“.

Die PDS setzt darauf, durch ihren bevorstehenden Einzug in die Westberliner Bezirksverordnetenversammlungen in den kommenden Jahren auch im Westteil der Stadt an Akzeptanz zu gewinnen. Erstmals gilt in den Bezirken nur eine Dreiprozenthürde. „Dann muss die CDU über ihre Strategie uns gegenüber nachdenken“, sagt Pau. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus erreichte die PDS in Ostberlin 36,3 Prozent, im Westen verschwand sie mit 2,1 Prozent unter „Sonstige“. Von den 17.300 Mitgliedern leben nur 400 im Westteil.

Programmatisch habe man allerdings mit der CDU „nichts am Hut“, stellt die Landesvorsitzende klar. Ziel der Vorstöße ist laut Pau ein „unverkrampfter Streit um Konzepte in der Öffentlichkeit“. Allerdings unterstütze die PDS „jeden vernünftigen Vorschlag, und solche soll es ja manchmal auch in der CDU geben“. Zudem stehe die CDU vor einer Glaubwürdigkeitsfrage. Schließlich seien in Brandenburg bereits CDU-Landräte mit PDS-Stimmen ins Amt gewählt worden.

Vor abgeschalteten Fernsehkameras hat sich auch in Berlin das Verhältnis längst normalisiert. Fraktionschef Wolf berichtet davon, dass der parlamentarische Umgang inzwischen durch „sachliche Auseinandersetzung“ geprägt sei. In einer Parlamentsdebatte um die Zukunft der Kindertagesstätten hätten PDS und CDU sogar schon einmal zusammen abgestimmt. Wolf bezeichnet sich als „Verfechter wechselnder Mehrheiten“. In Einzelfragen könne die PDS „mit allen Parteien zusammenarbeiten“.

Bei der CDU aber beißt die PDS noch auf Granit. „Rot-Grün und PDS verhindern“ plakatierten die Christdemokraten im Wahlkampf – obwohl der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper sich von einer Zusammenarbeit ebenso scharf distanziert hat wie die grüne Fraktionschefin Renate Künast. Und der CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach hat die Annäherungsversuche aus dem Karl-Liebknecht-Haus bereits als „Äußerungen aus dem Ressort Agitation und Propaganda“ abgetan. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen deklamierte Anfang des Jahres gar: „Die Wiedervereinigung Deutschlands ist erst vollendet, wenn die PDS von der politischen Bühne verschwunden ist.“ Lediglich der scheidende CDU-Abgeordnete Klaus Franke bestätigte der PDS kürzlich, „eine ganz normale Partei“ zu sein.

Für Wolf sind die Berührungsängste der Christdemokraten nicht weiter verwunderlich: „Durch die Stigmatisierung der PDS zwingt die CDU die SPD in die Fortsetzung der Großen Koalition.“ In der Koalitionsfrage spekuliert die PDS spätestens für das Jahr 2004 auf eine Zusammenarbeit mit der SPD. „Nach diesen Wahlen“, sagt Pau, „hat sich das Abgrenzungskonzept der SPD historisch überholt.“ Vorsichtshalber gibt man sich schon einmal vernünftig: Die PDS, so erklärte der Fraktionsvorsitzende Wolf unlängst, habe „ihre Reformprojekte stets unter das Diktum der Finanzierbarkeit gestellt“.

Hinweis:Durch die Stigmatisierung der PDS zwingt die CDU die Sozialdemokraten in die Fortsetzung der Großen Koalition“

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