:
■ Die grüne Tiergartener Jugendstadträtin Elisa Rodé ist überraschend abgewählt worden. Für die CDU war ihr Gelöbnis-Protest der Auslöser, für die SPD ihr Vatikan-Protest
Die grüne Jugendstadträtin von Tiergarten, Elisa Rodé, ist am Donnerstagabend völlig überraschend mit den Stimmen von CDU und SPD abgewählt worden. Die SPD hatte sich erst kurz vor der BVV-Sitzung entschlossen, den Abwahlantrag der CDU zu unterstützen. Die Grünen hatten die Begründung der CDU für so „absurd“ und „fadenscheinig“ gehalten, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass die SPD umschwenken könnte.
Auslöser für den Abwahlantrag war Rodés Protest gegen das Bundeswehrgelöbnis im Juli. Damals hatte sie aus einer Wohnung in Sichtweite der Rekrutenvereidigung ein Transparent mit der Inschrift „Soldaten sind Mörder“ herausgehängt. Die CDU warf Rodé außerdem vor, sie habe sich für „Randgruppen“ eingesetzt und Klientelpolitik betrieben.
Der Fraktionssprecher der Tiergartener Grünen, Frank Müller, wies diese Vorwürfe gestern als haltlos zurück. Bei Rodés Amtsantritt vor vier Jahren habe es im Bezirk ein einziges Jugendprojekt gegeben. Nun gebe es 19 Projekte, darunter drei Mädchenprojekte. Rodé sei es zudem gelungen, den Jugendetat in vier Jahren von 158.000 Mark auf 1,6 Millionen Mark zu erhöhen. Sie hatte auch die Kampagne NoXNo gegen sexuelle Gewalt an Kindern initiiert.
Die Union habe nie erläutert, was sie unter Randgruppen verstehe, sagte Müller. Einige Christdemokraten hätten offenbar Probleme mit der offen lesbischen Jugendstadträtin. Von Klientelpolitik könne keine Rede sein, sagte Rodé. Auch die CDU habe der Vergabe von Räumen an ein senatsgefördertes lesbisch-schwules Projekt zugestimmt.
Als „Farce“ bezeichneten die Grünen die Kampagne der CDU, die der Stadträtin vorgeworfen hatte, unter falschem Namen gewählt worden zu sein, weil auf den Wahlzetteln ihr Name ohne Accent aigu geschrieben wurde – ein Versehen, für das sich der Landeswahlleiter bei Rodé entschuldigte.
Für die SPD-Fraktion war Rodés Protest gegen den Neubau der vatikanischen Nuntiatur in der Neuköllner Hasenheide ausschlaggebend. Als Anwohnerin hatte Rodé bei der Grundsteinlegung vor einer Woche eine Arie von Maria Callas laut abgespielt. Polizisten, die ihre Wohnung stürmten, wurden durch Fußtritte verletzt. Dies habe die SPD dazu bewogen, dem Abwahlantrag zuzustimmen, es habe aber auch fachliche Differenzen gegeben, erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Jutta Leder.
„CDU und SPD haben keine fachlichen Argumente gegen sie,“ widersprach der Tiergartener Grüne Jens Augner. Er sprach gestern von einem „Amoklauf der SPD“. Auch der grüne Landesverband stellte sich gestern hinter Rodé. Ihre Abwahl sei der „Schlusspunkt einer Treibjagd“. Sie sei eine „streitbare Politikerin“, dies sei aber kein Grund, sie abzuwählen. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen