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Augusto Pinochet soll für seine Verbrechen angeklagt werden

Seit gestern gehört die Zeit der Straffreiheit für Diktatoren endgültig der Vergangenheit an. Der chilenische General Augusto Pinochet darf nach Spanien ausgeliefert werden, um dort für 35 Fälle von Folter vor Gericht gestellt zu werden. Selbst der als erzkonservativ bekannte britischer Richter Ronald Bartle kam nicht umhin, gegen Pinochet und für die Anliegen der Opfer zu entscheiden. Zu offensichtlich sind die Menschenrechtsverletzungen in den 17 Jahren blutiger Amtszeit des Generals. Ob Pinochet letztendlich nach Spanien ausgeliefert wird oder ob ihn die britische Regierung aus humanitären Gründen nach Hause reisen lässt, ist fast schon egal. Ein Jahr im Londoner Hausarrest und das gestrige Urteil sind vor der internationalen öffentlichen Meinung Schuldspruch genug. Den Opfern und ihren Anwälten ist mit Unterstützung des spanischen Richters Baltazar Garzón ein unglaublicher Sieg für die Menschlichkeit gelungen.

Dennoch bleibt ein unguter Beigeschmack. Warum muss sich der Senator auf Lebenszeit in Spanien und nicht in Chile für seine Taten verantworten? Die Antwort ist so einfach, wie sie auch vielen unangenehm ist. Die junge chilenische Demokratie steht unter der ständigen Beobachtung der Sieger. Und die heißen Pinochet und seine Generäle. Sie diktierten die Straffreiheit, und im Gegenzug bekam das südamerikanische Land seine Freiheiten zurück. Sicher, ein Prozess ausgerechnet in Spanien mit seiner eigenen unaufgearbeiteten, diktatorischen Vergangenheit ist nicht die beste Lösung, aber leider im Augenblick die einzige. Das neue spanische Strafgesetzbuch verfolgt Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie verjähren nicht und dürfen weltweit geahndet werden. Dies ist, auch wenn es viele noch immer nicht wahrhaben wollen, seit der gestrigen Entscheidung endgültig mit internationalem Recht vereinbar. Das positive Urteil zur Auslieferung von Pinochet ist Beweis genug.

Um für die Zukunft Verwicklungen zwischen verschiedenen Ländern wie im Falle Pinochet zu vermeiden, gibt es nur eine Lösung: einen internationalen Strafgerichtshof mit uneingeschränkten juristischen Befugnissen. Doch davor schrecken so manche Regierungen zurück, die im Falle Chile mit erhobenem Zeigefinger von Menschenrechten reden. Denn gibt es erst einmal eine solche internationale Instanz, dann müssten sich vielleicht auch die alteingesessenen Demokratien nach ihren Leichen im Schrank fragen lassen. Reiner Wandler

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