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Wenn Ostberliner in den Westen ziehen

■ ... wählen sie dort weiter die PDS. Dennoch bleibt Berlin geteilt

In Berlin haben am Sonntag gleich zwei Landtagswahlen stattgefunden. So sieht es jedenfalls die Forschungsgruppe Wahlen, die am Wochenende in der Hauptstadt mit einem doppelten Umfrageteam angetreten war, für Ost und West getrennt. „Wir managen das wie zwei parallel laufende Wahlen“, erkärten die Meinungsforscher aus Mannheim das aufwendige Unterfangen.

Das Wahlergebnis gibt der Forschungsgruppe Recht. Die parteipolitische Spaltung der Stadt hat sich nicht abgeschwächt, sondern verstärkt. Die CDU konnte im Westen noch einmal vier Prozentpunkte zulegen und verfehlte dort die absolute Mehrheit nur knapp. Im Osten gewann die PDS drei Prozentpunkte hinzu und erreichte fast 40 Prozent. SPD und Grüne konnten gegen diese Übermacht wenig ausrichten. Die SPD rutschte im Osten auf weniger als 18 Prozent ab, die Grünen verloren ein Drittel ihrer Stimmen.

Eine Zahl indes scheint diesem Trend zu widersprechen: Die PDS konnte ihr Ergebnis im Westteil der Stadt glatt verdoppeln. Mit 4,2 Prozent überflügelte sie die traditionelle Westpartei FDP bei weitem. Schon jubelt PDS-Mann Gregor Gysi über den „kleinen Durchbruch“. Doch die Analysen der Wahlforscher holen die Sozialisten wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Den größten Teil des Zuwachses verdankt die Partei nach Angaben des Instituts infratest dimap früheren Ostberlinern, die in den Westen umgezogen sind. Umgekehrt ist das passable Abschneiden der Grünen in der Ostberliner Innenstadt überwiegend auf Zuzügler aus dem Westen zurückzuführen. In den Plattenbauten an der Peripherie kommt die Partei über die Marke von einem Prozent kaum hinaus.

Solange für die Bewohner der einstigen Frontstadt Westberlin die PDS aber ein Schreckgespenst bleibt, profitiert allein die CDU von der anhaltenden politischen Spaltung der Stadt. Denn ohne Mithilfe der Sozialisten wird es auf absehbare Zeit keine Regierung gegen die Union geben. SPD und Grüne alleine hatten nur im vergangenen Herbst, in der Ausnahmesituation der Anti-Kohl-Stimmung, kurzzeitig eine Mehrheit in den Umfragen.

Der Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky hat daher allen Grund, mit markigen Sprüchen gegen die PDS die Spaltung der Stadt zu zementieren. Schließlich hat es die politische Klasse des alten Westberlin genau dieser Blockade zu verdanken, dass ihre Kreise auch zehn Jahre nach dem Fall der Mauer nicht durch neues Personal gestört werden.

Auch bei den Direktmandaten ergibt sich ein klares Bild: Östlich des einstigen Mauerverlaufs gewann die PDS in allen Wahlkreisen, westlich davon räumte die CDU ab – mit Ausnahme von zwei bündnisgrünen Kandidaten, die in Kreuzberg den direkten Einzug ins Landesparlament schafften.

Als einzige Partei sind die „Republikaner“ in Ost und West ungefähr gleich stark. Mit 2,7 Prozent blieben sie auch gegenüber der letzten Wahl stabil. Allerdings schnitten sie innerhalb Westberlins sehr unterschiedlich ab: Im Arbeiterbezirk Wedding kamen sie auf fünf Prozent, während sie sich im bürgerlichen Zehlendorf mit einem Prozent bescheiden mussten. Ralph Bollmann, Berlin

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