: „Ich wollte nicht provozieren“
■ Ein Schwulenfilm für Heteros: Get Real – Von Mann zu Mann startet heute. Die taz hamburg sprach mit Regisseur Simon Shore
Simon Shores auf einem Theaterstück basierender Get real – Von Mann zu Mann (siehe taz überregional) sollte eine nette High-School-Lovestory zwischen zwei Jungs werden. Verblüffend an seinem Film ist jedoch, wie unschwul ein Film über Schwule sein kann. Schon der deutsche Titel Von Mann zu Mann stößt bitter auf, erinnert an Titel soziologischer Schriften Anfang der Achtziger. Mit dem Untertitel „Be homo. Be hetero. Just be.“ versucht der Verleih auf die gnadenlose Beliebigkeit amerikanischer Comedys anzuspielen.
Immer öfter werden schwule Filme „entschwult“, wie die letztens erschienene Komödie Tricks, die Hauptdarstellerin Tori Spelling bewusst vom „Verdacht“ befreien wollte, ein schwuler Film zu sein. In der Community allerdings scheint das Konzept nicht wirklich aufzugehen, hat das Publikum beim San-Francisco-Gay-Filmfestival laut Regisseur Get Real abgelehnt. Bei den heterosexuellen Filmfestivals in Edinburgh, Emden und beim Dinard British Film Festival gewann er jeweils den Publikumspreis. Für die taz hamburg sprach Hinnerk- und Queer-Autor Daniel Plettenberg mit dem Regisseur.
Simon Shore: Ich saß in dem kleinen Londoner Off-Theater, schaute mir dieses wundervolle Stück an, saß dabei in einem absolut schwulen Publikum und dachte mir, dieses Stück wird dem völlig falschen Leuten gezeigt. Der Autor erklärte mir später, dass er das Stück geschrieben habe um es heterosexuellen Menschen zu zeigen. Aber niemand besuchte das Stück, weil es als ,schwul' galt.
taz hamburg: Was ist dann das Schwule an ihrem Film?
Ich wollte keinen schwulen Film machen. Dies ist ein Film über die Pubertät, darüber, sich selbst zu finden und zu sich selbst zu stehen. Ich möchte, dass sich Mütter von jungen Schwulen den Film ansehen, Mitschüler von Schwulen.
Wieso glauben Sie, dass dieser Film besonders für heterosexuelle Menschen geeignet ist?
Das sind mehrere Gründe. Da gibt es diese archetypischen Szenen, wie den Schulball, bei dem niemand mit demjenigen tanzt, mit dem er eigentlich tanzen möchte. So etwas kennt jeder. Ich wollte einen Film über Toleranz, Courage und Selbstbewußtsein ganz im allgemeinen machen. Mich hat es überrascht, daß selbst das heterosexuelle Publikum sich wünscht, dass die beiden Jungs zusammen kommen. Der Film macht Sachen verständlich, die das Publikum vorher nicht unbedingt wusste. Und das in einer Art und Weise, wie sie jeder verstehen kann. Dieser Film kann etwas für das allgemeine Publikum tun, was schwule Filme bisher nicht geschafft haben. Wir wollen zeigen, dass Leute wie Steven gezwungen sind, auf Toiletten zu gehen, Orte an denen sie in potentieller Gefahr sind. Heteros würden sich so was niemals in einem schwulen Propagandafilm anschauen, also müssen wir es ihnen so zeigen, dass sie Freude an dem Film finden. Ich wollte nicht provozieren.
siehe Kinoübersicht
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