: US-Senat zündet Sprengsatz gegen nukleare Abrüstung
■ Ablehnung des Atomteststoppvertrags durch den US-Senat stößt weltweit auf Unverständnis: Führungsrolle der USA gefährdet. Fischer: „Falsches Signal“
Berlin (taz) – Der US-amerikanische Senat hat in der Nacht zum Donnerstag eines der wichtigsten internationalen Vertragswerke zu Fall gebracht: Auf die Ablehnung des Atomteststopp-Vertrags von 1996 reagierten etliche Verbündete prompt mit harscher Kritik – so auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer. US-Präsident Clinton nannte das Senatsvotum „rücksichtslos“, er hatte das Abkommen vor drei Jahren als erster unterzeichnet und sich für dessen Ratifikation stark gemacht. „Der Kampf ist noch nicht vorbei“, sagte er – doch für die nächsten beiden Jahre ist angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse im Senat nicht mit einer Ratifikation zu rechnen. Der repubikanische Senator Jesse Helms hatte dort angekündigt: „Der Vertrag wird im Senat beerdigt.“
Die Vertragsgegner, allesamt aus der Republikanischen Partei, haben Clinton damit eine empfindliche Niederlage beigebracht und seine Position auf der internationalen Bühne geschwächt. In den Vereinten Nationen sind die USA ohnehin wegen der Verweigerung der Zahlung ihrer überfälligen Beiträge in die Kritik geraten. Angesichts des neuen außenpolitischen Querschlags der Republikaner sind nun auch die politischen Freunde Washingtons auf den Barrikaden: Joschka Fischer nannte das Votum einen „schweren Rückschlag für die nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung“. Es setze „ein falsches Signal“. Fischer fügte hinzu, dass die Staatengemeinschaft „die USA nicht aus der Verantwortung für den Atomteststopp entlassen“ könnten.
Der französische Präsident Jacques Chirac und der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, nannten das Votum schädlich für den Abrüstungsprozess. Solana nannte die Entscheidung „sehr traurig für die Zukunft, sehr traurig für den Frieden, sehr traurig für die Nichtweiterverbreitung“.
Die russische Regierung sprach von „einem schweren Schlag gegen das gesamte Spektrum der Abmachungen zur nuklearen Abrüstung“. Auch das chinesische Außenministerium bedauerte das Votum. China setze sich weiter für eine rasche Ratifikation ein. Die indische Regierung erklärte, trotz des negativen Signals aus den USA werde sie das Abkommen bald unterzeichnen.
In den USA kritisierten Ex-Politiker wie Henry Kissinger und Zeitungen das Votum des Senats, denn es werde die Führungsrolle des Landes schwächen.
Stefan Schaaf
Bericht Seite 2
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