Julius Nyerere hinterlässt ein emotionales Vakuum

■ Der Tod des „Paten der Befreiungsbewegungen“ weckt in Tansania Befürchtungen um die Stabilität. Vor allem droht im benachbarten Burundi eine Verschärfung des Krieges

Berlin (taz) – Tansania steht still. Seit dem Tod des Staatsgründers Julius Nyerere, den alle im Lande nur „Mwalimu“ (Lehrer) nannten, geht in dem ostafrikanischen Land nichts mehr. Schon während des langen Krankenhausaufenthalts des großen Mannes in den letzten Wochen ging die Angst um, dass die von Nyerere hergestellte Einheit der Teilstaaten Tanganjika und Sansibar seinen Tod nicht überdauern werde, dass Tansania als einheitlicher Staat nicht überlebt. Und nachdem er am Donnerstag starb, fiel Staatspräsident Benjamin Mkapa nichts Besseres ein, als diese Angst zu bestätigen.

„Es wird Bürger geben, die fürchten, dass die Einheit des Landes in Gefahr ist, dass unsere Union zerfällt“, sagte Mkapa in seiner Rundfunkansprache. „Ich flehe euch an, zu glauben, dass Mwalimu Erfolg hatte ... Genossen Bürger, während wir den Leichnam des Vaters der Nation erwarten, flehe ich euch an, ruhig zu bleiben und Solidarität zu bewahren.“

Außer Nelson Mandela war wohl in Afrika niemand so als Elder Statesman respektiert wie Nyerere, der allen Befreiungsbewegungen des östlichen und südlichen Afrika eine Heimat geboten hat. Stellvertretend für viele Zeitungen titelte die oppositionelle Post in Sambia: „Wir werden keinen weiteren Mwalimu haben.“ Nyerere sei untrennbar mit der Epoche der afrikanischen Befreiungskämpfe verbunden: „Patrice Lumumba, Amilcar Cabral, Eduardo Mondlane, Kwame Nkrumah, Agostinho Neto, Samora Machel und Oliver Tambo sind schon verschieden“, zählte die Zeitung auf: „Nun ist für Mwalimu die Zeit gekommen.“

In einigen afrikanischen Ländern herrscht nun Staatstrauer. In einem Nachbarland Tansanias allerdings wird Nyereres Tod mit besonderer Sorge betrachtet: Burundi, wo Nyerere die Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Hutu-Rebellen in Gang hielt. Die Verhandlungen, die seit Jahren im tansanischen Arusha stattfinden, waren in der letzten Zeit ohnehin ins Stocken geraten, und in Burundi war der Bürgerkrieg wieder aufgeflammt. Nun, so fürchten manche Beobachter, könnte der Tod des Vermittlers den Startschuss für eine neue brutale Kriegsrunde geben. Nyerere habe einen mäßigenden Einfluss auf Extremisten aller Seiten gehabt; nun würden radikale Hutu wie radikale Tutsi keine Hemmungen mehr haben. Dominic Johnson