: Inhalte statt Machtspielchen
■ Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Christian Gaebler (34) wirft seiner Partei Managementfehler vor und bezweifelt, ob das Führungspersonal für die Oppositionsrolle geeignet ist
taz: Achtung, Fangfrage: Was spricht dafür, dass die SPD sich einer Großen Koalition verweigert?
Christian Gaebler: Zum einen, dass man nach neun Jahren Große Koalition überlegen muss, ob nicht andere Konstellationen erfolgreicher für die Stadt wären. Ob Politik nicht sichtbarer wäre, die parlamentarische Arbeit gestärkt würde. Aber warum Fangfrage?
Das wird noch nicht verraten. Und was spricht für eine Große Koalition?
Böswillig könnte man sagen: Opposition ist schwieriger. Man muss sich fragen, ob die SPD mit ihrer Struktur, ihren Inhalten und ihrem Führungspersonal dazu in der Lage ist.
Angenommen, die SPD setzt die Große Koalition fort. Was spricht dafür, dass Annette Fugmann-Hessing nicht mehr Finanzsenatorin bleibt?
Weil es ansonsten für die CDU sehr einfach wäre, sich selbst gut und die SPD als schlecht darzustellen.
Fangfrage deshalb, weil zu erwarten war, dass Sie wie fast jeder Berliner Politiker hauptsächlich parteitaktische Überlegungen ins Spiel bringen und nicht das Wohl der Stadt.
Die Stadt muss ja auch interessiert daran sein, dass die SPD handlungsfähig ist. Aber Sie haben Recht. Es wird zu häufig parteitaktisch argumentiert, zu mechanisch. Wir müssen mehr Inhalte formulieren.
Fragen wir also noch mal: Was bringt es für die Stadt, wenn Fugmann-Heesing nicht mehr Finanzsenatorin ist?
Nichts.
Ist die Haltung der SPD zu ihrer Senatorin dann nicht kleinmütig?
Nein. Schließlich muss man Politik auch als Gesamtkonzept verstehen. Es geht nicht, wenn Frau Fugmann-Heesing nicht bereit ist, Spielräume für vorrangige Handlungsfelder der SPD zu eröffnen, sondern immer sagt: Das kann man nicht machen, das wäre eine Katastrophe.
Noch eine Frage zur Parteitaktik: Spielt es für die Koalitionsfrage eine Rolle, dass die Mehrheit der CDU im Bundesrat noch größer wird, wenn die Berliner SPD in die Opposition geht?
Es kommen Signale vom Bund, dass das berücksichtigt werden muss.
Die SPD hat am Samstag ein ziemliches Tamtam um ihren Parteitag gemacht. Geheimnistuerei um den Versammlungsort, Polizeiaufgebot, und Parteichef Strieder hat einen Kodex für das Verhalten gegenüber der Presse verteilt. Ist das nicht peinlich?
Ja. Mehr Gelassenheit wäre besser. Insbesondere das Polizeiaufgebot und der Kodex sind Ausdruck eines eigenwilligen Vorgehens. Das ist ein Grundproblem der Führung. Sie will verordnen, bedenkt aber nicht, dass sie damit die Vertrauenskrise nur verschärft. Die überwindet man nämlich nicht mit Verordnungen, sondern nur durch eine neue Form des Arbeitens und größere Sensibilität.
Strieders Vorgehen lässt den Zustand der SPD nicht gerade in goldenem Licht erscheinen.
Es zeigt, dass manche noch nicht eingesehen haben, wie modernes Management funktioniert. Die Medien werden zum Sündenbock gemacht. Ich halte das nicht für den richtigen Ansatzpunkt.
Ostdeutsche Bezirksvorsitzende hatten vor dem Parteitag vor, einen Antrag zur Absetzung des geschäftsführenden Landesvorstands zu stellen. Sie haben es dann doch gelassen. Wann, wenn nicht jetzt, trauen sich die Genossen endlich mal was?
In der SPD gibt es ein Problem mit dem Selbstbewusstsein. Ich glaube, das liegt auch an unserer komischen Kultur, auf jemanden, der sich nach vorne wagt, erst mal einzuprügeln. Statt um die Inhalte zu streiten, gibt es allzu oft die eingefahrenen Machtspielchen.
Auf dem Parteitag sind Sondierungsgespräche mit der CDU beschlossen worden. Ist das nicht schon eine Vorentscheidung für eine Große Koalition?
Es soll keine sein. Aber was die Umsetzung angeht, habe ich Bedenken. Schließlich wollte sich die Parteiführung nicht festlegen, auf dem nächsten Parteitag über die Koalitionsfrage abstimmen zu lassen. Das ist ein falsches Signal. Deshalb habe ich auch gegen den Beschluss gestimmt.
Interview: Markus Franz
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