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Wenn spielen kriminell macht

Betrug und Unterschlagung: Beschaffungskriminalität bei Spielsüchtigen  ■ Von Elke Spanner

Manchmal ist der Täter schon bestraft, ehe er vor Gericht erscheinen muss. Auch Günther N. nimmt seine Verurteilung zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung gleichgültig entgegen. Denn zuvor hat er, wie sein Verteidiger sagt, „sich selbst ruiniert und seine Familie noch obendrauf“. Früher, als Günther N. noch beruflich für Menschen das Vermögen verwaltete, die das selbst nicht können, da galt er „als einer, dem man schwierige Fälle anvertrauen konnte“, erinnert sich auch der Richter am Amtsgericht Wandsbek. „Jetzt sind Sie selbst ein schwieriger Fall geworden“. Denn Günther N. ist glückspielsüchtig. Um seine Sucht zu befriedigen, hat er in 47 Fällen das ihm anvertraute Vermögen unterschlagen.

Beschaffungskriminalität verbindet man in der Regel mit KonsumentInnen harter Drogen wie Heroin oder Kokain. Doch auch nach Glücksspiel sind allein in Hamburg etwa 8000 Menschen süchtig. Und „pathologisches Spielen“, so die Psychologin Gisela Alberti auf der Jahrestagung des „Bundesweiten Arbeitskreis Glücksspielsucht“, „ist die vermutlich teuerste Sucht“. Auch Gerhard Meyer von der Uni Bremen ist überzeugt, dass sich die Sucht „auf Dauer nicht mit legalen Mitteln finanzieren lässt“. Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erarbeitete Meyer die Studie „Glücksspiel und Delinquenz“. 89,3 Prozent der „pathologischen Spieler“ haben danach mindestens eine Straftat eingeräumt – Bagatelldelikte ausgenommen. 35 Prozent hatten mindestens einmal Kontakt mit der Polizei, und 28,3 Prozent sind bereits strafrechtlich verurteilt worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Beschaffungsdelinquenz als „typische Begleiterscheinung der Krankheit“ beschrieben.

In der Regel sind es gewaltfreie Eigentumsdelikte, mit denen die Spieler Geld für Casino oder Daddelhalle beschaffen: Diebstahl, Betrug, Unterschlagung. Roulettespieler reden sich selbst häufig ein, dass sie das Geld nur leihen. Sie unterschlagen – etwa am Arbeitsplatz. Jugendliche hingegen, die in Daddelhallen zocken, haben selten direkten Zugang zu Geld. Sie begehen deshalb eher Diebstähle oder Betrügereien.

Günther N. hat das Spielen 1989 am Automaten mit zwei Mark Einsatz begonnen. Der Einsatz wurde immer höher, die Verluste auch. Als sich 1997 deswegen seine Ehefrau von ihm trennte, „bin ich richtig draufgekommen“. Über 60.000 Mark hat er zwischen 1998 und 1999 unterschlagen – und verspielt.

Er hat sich schließlich selbst bei der Polizei angezeigt. Viele Spieler versuchen, sich selbst zu kurieren. Etwa, indem sie sich im Casino sperren lassen. Rund 30.000 Namen stehen bundesweit auf der Sperrliste – gut die Häfte nach Eigenmeldung. Doch zum einen, so Meyer, gilt die Sperrliste nur für das „große Spiel“, also für „Black Jack“ und Roulette. Und zum anderen kann auch diese Klippe umschifft werden. Kürzlich habe sich ein Bremer mit dem Taxi in eine andere Stadt kutschieren lassen, sich den Ausweis des Fahreres geliehen und damit Zutritt in die Spielbank verschafft.

„Das war wie ein Zwang“, sagt auch Günther N. im Prozeß. Bei Gerichten ist mittlerweile anerkannt, dass als „vermindert schuldfähig“ gelten kann, wer zur Befriedigung seiner Spielsucht eine Straftat begeht. Meyer war Gutachter in rund 80 Prozessen. Oft gelang ihm der Nachweis, dass das Geld der Sucht wegen geklaut oder unterschlagen wurde. Dann, so der Bundesgerichtshof (BGH), muss der Täter wie ein Drogenkonsument behandelt und als vermindert schuldfähig anerkannt werden.

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