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Deutsche Polizisten schliefen“

■ Angeklagter und Hauptbelastungszeuge in Prozess wegen gefälschter Führerscheine setzte sich nach Angaben der „Hürriyet“ in die Türkei ab

Kommenden Donnerstag Punkt 9.00 Uhr schlägt die Stunde der Wahrheit. Dann wird im Landgericht der Prozess um den Bestechungsskandal bei der „Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr“ (Dekra) fortgesetzt. Wenn statt fünf nur vier Angeklagte vor dem Kadi erscheinen, hat die Justiz ein Problem: Der seit Monaten andauernde und nunmehr kurz vor dem Ende stehende Prozess um den illegalen Verkauf von Führerscheinen droht zu platzen.

Wie die türkische Tageszeitung Hürriyet gestern meldete, hat sich der 38-jährige türkische Fahrlehrer Demirel K. nach eigenen Angaben am vergangenen Freitag mit 14 Millionen Mark in die Türkei abgesetzt. „Ich komme nicht wieder“, hat er zu Hürriyet gesagt. Zum Glück sei er finanziell „unabhängig“ und werde in Russland eine Fensterfabrik eröffnen.

K. ist in dem Prozess nicht nur Angeklagter, sondern auch Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft. Er und die vier weiteren angeklagten Dekra-Prüfer sollen von 1994 bis 1997 Fahrschülern gegen Bezahlung und durch Tricks zu einem Führerschein verholfen haben. Der seit 30 Jahren in Berlin lebende Demirel K. war Inhaber einer Fahrschule im Wedding, die bei durchgefallenen Prüflingen als letzte Hoffung galt. In dem Prozess geht es um 130 illegal ausgestellte Führerscheine. Unter den Käufern, die bis zu 5.000 Mark für die Pappe hingelegt haben sollen, sollen viele Türken gewesen sein, die kaum Deutsch konnten, aber trotzdem die theoretische Fahrprüfung in Deutsch ablegten. Die Beweislage in dem Prozess ist schwierig. Nicht nur die angeklagten Dekra-Prüfer bestreiten die Vorwürfe. Auch die Zeugen schweigen, da ebenfalls gegen sie ermittelt wird.

Der vorbestrafte Demirel K. hatte im Februar 1997 ein Geständnis abgelegt und war daraufhin von der weiteren Untersuchungshaft verschont worden. Über Hürriyet teilte er jetzt mit, er habe sich aus Angst vor einer neuerlichen Verhaftung in die Türkei abgesetzt. Aus verlässlichen Quellen habe er erfahren, dass die Polizei seine Festnahme vorbereite. Die Justiz handele „unaufrichtig“, weil ihm als Gegenzug für das Geständnis Haftverschonung zugesagt worden sei.

Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft konnten gestern bestätigen, dass K. in der Türkei ist. Seine Frau und seine drei Kinder sind laut Hürriyet in Berlin geblieben. Nach diesen Angaben ist er mit einem auf den Namen seines Bruders ausgestellten Flugticket ausgereist. „Die deutschen Polizisten haben geschlafen“, hieß es weiter in Hürriyet. Plutonia Plarre

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