: Musterprozess gegen Fixerstüblis
■ Bundesweit einmalig: Ende November kommt es in Bremen gegen den Verein für akzeptierende Drogenarbeit zum Prozess wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
Bremen geht den knallharten Alleingang: Im November beginnt eine Hauptverhandlung gegen zwei Mitglieder vom Verein für akzeptierende Drogenarbeit (“akzept“). Die Betreiber vom „Fixerstübli“ sind wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz (“Verschaffen einer Gelegenheit zum Drogenkonsum“) angeklagt. Bislang wurden solche Verfahren bundesweit eingestellt. Jetzt kommt es in Bremen zum Präzedenzfall.
Eine „knallharte Linie“, sagte dazu Lorenz Böllinger, Professor für Strafrecht und Leiter vom Institut für Drogenforschung an der Bremer Uni. Sie hatte sich bereits Anfang Januar angebahnt (die taz berichtete). Damals hatte die Staatsanwaltschaft als ersten Schritt einen Strafbefehl gegen die Beschuldigten beantragt. Diesem harten Kurs war eine Drohgebärde von Ex-Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) vorausgegangen: Er ließ den von „akzept“ zum „Fixerstübli“ umgebauten Wohnwagen bei einer Aktion 1998 als Tatwerkzeug beschlagnahmen.
Doch statt die dann eingeleiteten Ermittlungsverfahren einfach einzustellen, schwenkte Bremen auf die harte Linie ein: Dabei hatten bislang alle anderen Bundesländer mit bereits existenten Druckräumen stillgehalten, so Verteidiger Georg Baisch. Justiz- und Gesundheitsbehörden vereinbarten zum Schutz der Druckraum-Betreiber Stillhalteabkommen – wegen der rechtlichen Grauzone im Gesetz und somit juristischen Streitfrage, ob Gesundheitsräume nun zum Drogenkonsum verleiten oder aber als gesundheitliche Hilfsmaßnahme z.B. Todesfälle in Bahnhofsklos vermeiden.
Doch gerade wegen dieser Rechtsunklarheit freut man sich jetzt in Bremen über den Musterprozess. Denn: Die unterschiedliche Bewertung müsse endlich ein Ende haben, fordert der Angeklagte Rikus Winsenborg. Das findet auch Strafrechtsprofessor Böllinger: „Es ist politisch gut, die Dinge ganz durchzufechten und die Kontroverse durchzuarbeiten“. Und das ganz unbhängig davon, dass die rot-grüne Bundesregierung gerade ein neues Betäubungsmittelgesetz erarbeitet – um den Weg für Gesundheitsräume frei zu machen.
Denn der vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Gesetzentwurf bleibt in punkto Straffreiheit weiterhin vage: Der umstrittene Strafparagraph vom „Verschaffen einer Gelegenheit“ bleibt nämlich im neuen Gesetz erhalten, berichtet Strafrichter Bernd Teuchert. Dem entgegengesetzt werde „nur“ ein neuer Erlaubnisparagraph: Dieser erlaubt den Bundesländern, Rechtsverordnungen für Druckräume zu erlassen. „Wer diese nicht erlässt und somit solche Räume nicht erlaubt, bei dem bleibt weiterhin Rechtsunsicherheit vorhanden.“
Die Folge: Rot-grün bekommt so zwar wohl eine Zustimmung vom Bundesrat. Doch alles andere bleibt weiter Auslegungssache – je nach politischer Großwetterlage. Und wie das rot-schwarze Bremen denkt, zeige ja die knallharte Prozesseröffnung, sagt Verteidiger Gerhard Baisch: „Hier wird strafrechtlich verfolgt“ – weil die Innensenatoren auf „Rambo“ machen und Justizsenator Henning Scherf (SPD) „absoluter Gegner von akzeptierender Drogenarbeit“ ist.
Und in der Tat: Gleich nach seinem Amtsantritt bekannte CDU-Innensenator Bernt Schulte öffentlich: Druckräume sind „überflüssig“. SPD-Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) schwieg zum Thema – wie ihre Vorgängerin Tine Wischer (SPD) ignorierte auch sie dieses Streitthema. Nur auf Nachfrage gestand ihr Staatsrat schließlich: Druckräume sind eigentlich „vernünftig“ – man komme nur nicht an gegen den CDU-Innensenator und einen knallhart „ablehnenden“ Justizsenator Henning Scherf.
Denn der gilt seit Jahren als „Skeptiker“, bestätigt Scherf-Sprecher Klaus Schloesser – agiert aber auch nur hinter den Kulissen und niemals öffentlich. Denn „drogenfrei wäre ihm lieber“. Im übrigen wisse in Bremen „doch jeder Junkie, wo er spritzen könnte.“ Mit dem „Fixerstübli“ wollte „akzept“ doch bloß Ex-Innensenator Ralf Borttscheller „provozieren“. Die „wollten das Thema an die große Glocke hängen und eine große Kampagne“ anschieben, sagt dazu der Scherf-Sprecher. kat
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