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Türkei sieht keinen Zusammenhang mit Kurdenfrage

■ Der tonnenschwere Panzer Leopard II ist in kurdischen Kriegsebieten nicht einsetzbar

Es war der einzige Missklang des auf Harmonie angelegten Tages: Als der türkische Außenminister Ismail Cem auch die Rüstungsindustrie als eine deutsch-türkischer Kooperationsmöglichkeit nannte, zuckte Joschka Fischer merklich zusammen. Trotz aller neuen Freundschaftsbekundungen, die Fischer bei seinem Ankara-Besuch Ende Juli zur Schau stellte, sah er sich genötigt, vorsichtig zu widersprechen.

Dabei gehört die Bundesrepublik innerhalb der Nato seit Jahrzehnten zu den Ländern, die die türkische Armee unterstützen. Als die USA Ende der 70er anmahnten, die Bundesregierung müsse ihren Anteil im „burden-sharing“ erhöhen, verwies der Verteidigungsminister regelmäßig auf die vielen Millionen für die Türkei. Und es entsprach genau dieser Tradition, dass die Türkei aus den ehemaligen NVA-Beständen großzügig beliefert wurde; auch mit den Radpanzern, die für so viel Ärger sorgten, weil sie gegen die PKK eingesetzt wurden.

Nach türkischer und übrigens auch US-amerikanischer Lesart war der Kampf der PKK ein terroristischer Akt, der die Einheit des Landes bedrohte und zu dessen Abwehr die Ex-NVA-Pan- zer eingesetzt werden konnten.

Dass die türkischen Militärs nun Interesse an den deutschen Leopard II A 5-Panzern haben, ist nicht verwunderlich. Das Vorgängermodell, der Leopard I, wird als Lizenzversion in der Türkei seit Jahren zusammengeschraubt. Da der tonnenschwere Kettenpanzer Leopard II kaum in dem unwegsamen Gelände der von Kurden bewohnten Bergregion im Südosten der Türkei eingesetzt werden könnte, geht man in Ankara davon aus, dass die Kurdenfrage bei dem Geschäft nicht tangiert ist.

Tatsächlich ist die mögliche Anschaffung beziehungsweise Lizenzproduktion des Leopard II-Panzers, Teil eines groß angelegten Modernisierungsprogramms der türkischen Streitkräfte, das schon zeitplanerisch mit den letzten Auseinandersetzungen zwischen Armee und PKK kaum etwas zu tun hat. An dieser Modernisierung der nach den USA größten Nato-Armee sind alle europäischen, amerikanischen, israelischen und selbst russischen Rüstungsunternehmen sehr interessiert. Gerade die deutsche Panzerschmiede Krauss-Maffei, die in der Türkei gut im Geschäft ist, wird nicht zurückstehen wollen. Jürgen Gottschlich, Istanbul

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