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Kalte Dusche für den Senat

■  Das Landesverfassungsgericht bremst den Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe: Das Privatisierungsgesetz ist in Teilen verfassungswidrig. Jetzt stehen Neuverhandlungen mit den Käufern an. Dem Land drohen hohe Einnahmeverluste

Die Berliner Wasserverbraucher können sich freuen: Auch nach dem geplanten Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe (BWB) dürfen die Gebühren nicht in dem Maße steigen, wie ursprünglich vorgesehen. Das Landesverfassungsgericht hat gestern die BWB-Teilprivatisierung vorerst gestoppt. Der Senat plant, für 3,3 Milliarden Mark knapp 50 Prozent des landeseigenen Unternehmens an ein privates Konsortium um RWE, Vivendi und Allianz zu verkaufen. Gegen die Privatisierung hatten die Oppositionsparteien PDS und Grüne geklagt.

Das zu Grunde liegende Gesetz sei in Teilen nicht mit der Berliner Verfassung vereinbar, entschieden die Richter. Im Einzelnen erklärte das Gericht die zweiprozentige Zinszuschlagsklausel und die geplante Verwendung des sogenannten Effizienssteigerungsgwinnes für nichtig.

Zwar dürften die BWB auch in Zukunft die Wassertarife so bemessen, dass das Unternehmen einen angemessenen Gewinn erzielt, argumentieren die Richter. Dieser entspreche der durchschnittlichen Rendite bestimmter Bundesanleihen. Weiter gehende Zinszuschläge seien aber nichtig, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzten. Damit würden die Gelder privater BWB-Kapitalgeber „zu Lasten der Benutzer refinanziert“. Darüberhinaus seien die in den Wasserbetrieben gebundenen öffentlichen Mittel „ihrer Natur nach nicht dazu bestimmt, durch erwerbswirtschaftlichen Einsatz höchstmöglichen Gewinn einzubringen“, so die Richter.

Das Gericht hat auch festgelegt, dass eventuelle Effizienzsteigerungen sofort an die Verbraucher zurückgegeben werden müssen und nicht – wie in den Verträgen vorgesehen – beim Land beziehungsweise den privaten Investoren verbleiben dürfen. Experten rechnen damit, dass diese richterlichen Vorgaben den Verbrauchern eine jährliche Einsparung von rund 140 Millionen Mark einbringen – rund 40 Mark pro Kopf.

Die Hälfte dieser Einnahmen sind allerdings bereits dem privaten Erwerberkonsortium vertraglich zugesichert worden. Dass die Käufer darauf nicht verzichten wollen, machte RWE-Vorstand Ulrich Mutschler gestern deutlich: „Man muss jetzt auch über eine Kaufpreiskorrektur nachdenken.“ Dem Land Berlin droht ein Verlust von bis zu einer Milliarde Mark. Die nötigen Nachverhandlungen sollen bereits in der nächsten Woche beginnen.

Um die Käufer-Rendite zu sichern, sei auch eine Umstrukturierung des Unternehmens möglich, betonte Mutschler. Für die BWB-Beschäftigten könnte dies gravierende Folgen haben. Die Wasserbetriebe wollen in den nächsten zehn Jahren ohnehin 1.000 Stellen abbauen. Betriebsbedingte Kündigungen sind allerdings bis zum Jahr 2014 tarifvertraglich ausgeschlossen. Den entsprechenden Tarifvertrag stellte BWB-Vorstandsmitglied Christa Hecht gestern jedoch bereits in Frage. Es müsse geprüft werden, ob die Bedingungen für den Vertrag noch gelten, sagte Hecht.

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner sehen die Privatisierungspolitik des Senats durch das Urteil grundsätzlich bestätigt. Sie möchten den BWB-Verkauf bereits in der nächsten Woche vollziehen.

Dafür sind allerdings Vertrags- und Gesetzesänderungen nötig. Das Gerichtsurteil habe aber bestätigt, dass auch weiterhin die öffentliche Kontrolle über die Wasserbetriebe gewährleistet sein muss, sagt PDS-Fraktionschefs Harald Wolf. Jede Vertragsänderung – insbesondere beim Verkaufspreis – müsse demnach dem Parlament vorgelegt werden. Die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments findet erst am 18. November statt.

„Nach Lage der Dinge muss der Vollzug der Verträge ausgesetzt werden“, so Wolf. Auch Vollrad Kuhn, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, fordert den Senat auf, nicht „erst lange am verfassungswidrigen Gesetz herumzudoktern, sondern es zurückzuziehen“. Richard Rother

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