: „Wenn mich einer beißt, beiß ich zurück“
■ Punks und Skins an einem Tisch: Die taz lud zum Streitgespräch über Oldenburger Krawalle
Das Taxi mit Marc und Thomas (Namen geändert) hält direkt vor der Jugendfreizeitstätte. Sichtlich nervös springen die zwei Punks aus dem Wagen. Wenig später haben sich ihre Nerven bei einem Tee etwas beruhigt. Noch hat niemand eine Vorstellung davon, wie das zu erwartende Streitgespräch verlaufen wird. Im Vorfeld hatte jede Seite Garantien abgegeben, Stillschweigen über den Gipfel zu bewahren. Zu viele gewalttätige Übergriffe in den letzten Wochen haben den Hass zwischen den Gruppen angeschürt. Als Sven und Kai in ihren Stiefeln die Treppe hoch poltern, ist die Situation wieder angespannt. Hastig ausgedrückte Zigaretten. Das Gespräch kann beginnen.
taz: Seid Ihr Hammer-, Oi- oder White-Power-Skins?
Kai: Da kannst Du keinen von uns so richtig zuordnen. Ich würde sagen, wir sind „rechts-neutral“.
Thomas: Was verstehst Du unter „rechts-neutral“? Seid Ihr nicht rechtsextremistisch?
Kai: Wir sind gegen Ausländer. Wenn die hier was anstellen, dann sollen die dahin verschwinden, wo sie hergekommen sind.
Marc: Du vertrittst also so ungefähr das Gedankengut der DVU oder sogar der NSDAP?
Kai: Nein, was früher war, ging viel zu weit. Wir wählen eher DVU oder NPD.
Sven (beipflichtend): Ja genau, eher NPD.
Marc: Die laufen trommelnd mit der Reichskriegsflagge durch die Stadt. Wie kannst Du eine Partei gut finden, die sich mit der NS-Zeit identifiziert?
Kai: Bei den Aufmärschen bin ich noch nie dabei gewesen, obwohl ich einen Autoführerschein besitze.
Thomas: Aber das ist doch paradox, wenn Du sagst, dass Du die NPD wählst. Die marschiert doch auch vor Wehrmachtsausstellungen auf.
Sven: Die Aufmärsche sind doch nur reine Provokation. Die Werbesprüche der NPD, die finde ich gut. Der Ausländeranteil in Deutschland ist viel zu hoch.
Marc: Neun Prozent Ausländeranteil ist also zu hoch?
Sven: Ja klar. Das sind fast zehn Prozent. Guck Dir doch mal an, wieviel Dönerbuden es hier gibt. Stellen die einen Deutschen ein?
Marc: Warum sollten die das nicht tun? Ich habe in Pizzerien schon öfters Deutsche gesehen, die dort bedient haben.
taz: Vor kurzem wurden Ausländer im Bayernzelt von Skins angegriffen und verletzt. Ist das die Art und Weise, wie man mit Ausländern verfahren sollte?
Kai: Das würde ich komplett dem Gesetz überlassen. Wir verurteilen die Kramermarktsausfälle auch. Ich kenne selber ein paar Ausländer, Russen, die in meine Klasse gehen. Mit denen gehe ich abends auch mal weg. Die sind in Ordnung. Aber am Lappan2 stehen so viele Albaner rum, die Drogen verkaufen und auch Frauen verprügeln. Das habe ich selber gesehen. Ich habe versucht, den Typen davon abzuhalten, die Frau zu verprügeln. Da sind gleich 20 Leute gekommen und haben mich zusammengetreten.
taz: Wie steht es mit den Punks. Die sind doch auch von den Skins verprügelt worden?
Kai: Wenn die auf mich losgehen, dann gehe ich auch auf die los!
taz: War das so bei Euch Punks? Habt Ihr die Rechten provoziert?
Marc: Nein, eigentlich nicht. Ich weiß natürlich nicht, was jeder einzelne persönlich gemacht hat.
Thomas: Was müssen das für Provokationen gewesen sein, wenn 25 Skins nachts eine Punker-WG mit Luftgewehren und Zwillen überfallen?
Sven: Meinst Du die Geschichte in der Alexanderstraße? Ich habe gehört, dass von der anderen Seite geschossen wurde, also aus der WG raus.
Thomas: Wenn Skins auf ein Haus marschieren, dann ist es doch klar, dass sich die Punks verteidigen müssen. Die kommen ja nicht, um mit den Leuten zu saufen. Also liegt die Provokation nicht bei den Punks.
Marc: Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn vor meinem Haus 25 Leute mit Baseballschlägern stehen würde.
Sven (fällt ihm ins Wort): Hatten die denn Baseballschläger? Rechte werden immer gleich mit Baseball-Schlägern in Verbindung gebracht. Nach dem Motto: Der Mob tanzt auf der Straße.
Marc: Glaubst Du, die kommen zum Trinken vorbei, wenn die plötzlich aufmarschieren?
Sven: Wohl kaum.
Marc: Ach nee, von wem gehen dann die Provokationen aus?
Sven: Die sind ja nicht ohne Grund da hingegangen.
taz: Was war denn der Grund?
Sven: Na, diese Schmierereien auf der BBS3 II und III.
Kai (mischt sich ein): Ja genau, diese Schmierereien von wegen: „WWir kriegen Dich!!
Marc: Wkennt Ihr also? Ist das einer von Euren Leuten?
Kai: Nee, der gehört nicht zu uns. Den kennen wir nur so vom Moin Moin ...
Sven (beendet den Satz): ... und Guten-Tag-Sagen und abends ein Bierchen trinken gehen.
Marc: Und Wist so wie Ihr „rechts-neutral“ oder rechtsradikal oder was?
Kai: Kann ich nichts zu sagen.
Marc: Vor zwei Jahren hing er noch mit den Punks rum. Jetzt ist er ein rechter Skinhead.
Thomas: Und die Übergriffe auf die Punks , findet Ihr die gut?
Kai: Nein.
Sven: Die waren aber trotzdem nicht grundlos. Wenn mich einer beißt, beiß ich zurück! Die Punks haben Steine gegen ein Fenster von Wgeschmissen. Da würde ich auch ein paar Leute zusammentrommeln und die WG stürmen.
Marc: Und unsere Seite? Ich würde mich auch provoziert fühlen, wenn ich z.B. abends durch die Wallstraße gehe und zusammengeschlagen werde.
taz: Ist die Wallstraße in der Hand der rechten Szene?
Kai: Ziemlich viele Rechte saßen wohl „Im Bett“4 rum. Aber in rechter Hand? Weiß nicht...
Sven: Wo viele Leute aufeinandertreffen, gibt's halt Ärger ...
Kai: Ich bin vor zwei, drei Monaten am Alhambra5 vorbeigegangen und hatte nur eine Bomberjacke an, nicht mal Springerstiefel. Und da wurde gleich auf mich geschossen, mit Leuchtpistolen. Am nächsten Tag habe ich einen von denen getroffen und wollte ihm eine aufs Maul hauen. Dann bin ich aber mit dem ins Gespräch gekommen und es stellte sich heraus, dass er mich für einen von den Tätern hielt, die kurz zuvor beim Alhambra Frauen zusammengeschlagen hatten.
taz: Meinst Du die Geschichte mit den beiden Lesben vor der Alhambra-Disco?
Kai: Ja. Und ich hatte nur eine Bomberjacke an und sofort wurde auf mich geschossen.
Erzieher (mischt sich ein): Es gibt aber auch Verbindungen zwischen Euch und den anderen Skins.
Kai: Ja, kennen tun wir die.
Erzieher: Ihr geht zwar nicht mit denen los, weil die eine Nummer zu hart sind. Aber im Prinzip akzeptiert Ihr die.
Kai: Ja, kann man so sagen.
Sven: Es gibt welche bei den Linken, die sind wie Bluthunde, suchen sich Adressen raus und gehen dann auf die Leute los. Das schürt den Hass dann ungemein (Pause).
Thomas (nachdenklich): Das schaukelt sich gerade leider alles gegenseitig hoch.
Kai: Am Lappan stehen dazu noch die Albaner, weiter hinten am Waffenplatz die Russen. Und alle verkaufen Drogen. Wenn die Ausländer an Kinder Drogen verkaufen, die gerade Zigaretten halten können, dann sollen sie verschwinden!
Thomas: Drogen an Kinder verkaufen, das verurteilen wir natürlich auch. Gar keine Frage.
taz: Und die Skins sorgen dafür, dass die Stadt „sauber“ bleibt. Oder wie ist das zu verstehen?
Kai: Nö, das geht mich nichts an. Aber wenn diese Leute Drogen an meinen kleinen Bruder verkaufen, dann gehe ich da hin. Die sollen sich welche suchen, die 18, 19 Jahre alt sind, aber keine Kinder.
taz: Und das hast Du gesehen?
Kai: Das habe ich selber gesehen. Den Dealer habe ich zusammengeschlagen und zur Polizei gebracht. Dafür habe ich dann eine Anzeige wegen Körperverletzung bekommen.
taz: Aber das heißt doch, dass die rechte Szene für „Ordnung“ sorgt und Du mischt dabei mit.
Kai: Ja, aber nur in gewissem Maße. Ich gehe nicht auf jemanden los, nur weil der anders aussieht. Wir rufen die Polizei an und gut ist.
taz: Dann fühlt Ihr euch also doch wie Hilfssheriffs?
Thomas (wirft ein): Jeder schafft sich sein Feindbild und macht es dann fertig. Selbstjustiz, na prima!
taz: Die Polizei unternimmt nichts gegen Dealer ?
Kai: Ja genau, die machen nichts! Man muss die schon anrufen.
Sven: Die Dealer müssen sofort weg. Die dürfen nicht mit Samthandschuhen angefasst werden.
Thomas: Und einen deutschen Dealer hättest Du genauso zusammengeschlagen?
Kai: Genauso!
Thomas: Wissen die anderen Skins eigentlich, dass Ihr hier seid?
Kai: Wenn ich denen sagen würde, dass wir hier mit zwei, drei Punks sitzen, dann würden die mit zig Leuten aufmarschieren.
Marc: Ihr müsst ja einen ganz guten Draht zu denen haben, wenn die auf Euren Anruf hier aufmarschieren.
Kai: Nein, so ist das nicht. Einer ruft den anderen an und dann geht das immer so weiter.
Sven: Das ist ne Telefonkette.
Kai: Ich kenne persönlich vier oder fünf von denen. Aber wir sind nicht der gleichen Meinung. Das ist uns ein Stück zu heftig.
taz: Das klingt so, als ob die Skins organisiert sind.
Sven: Die Antifa ist organisiert, die Skins nicht.
Marc: Ich finde schon, dass man das als organisiert bezeichnen kann, wenn 25 bis 30 Leute mit Luftgewehren und Zwillen bewaffnet anmarschieren.
Sven: Wenn das eine Lager das andere angreift, heißt es gleich: Die haben mit Luftgewehren auf uns geschossen. Da wird viel übertrieben.
Thomas: Das glaube ich nicht. Bei der Punker-WG sind Oberlichter kaputt gegangen. Die liegen so hoch, dass Du da nicht mit Steinen rankommst. Da braucht es schon mehr.
Sven: Na ja, wenn man los zieht, kann es schon sein, dass man sich auf dem Weg noch einige Sachen rausholt ...
taz: Was soll passieren, damit das Hochschaukeln aufhört?
Kai: Keine Ahnung. Dazu müsste man die Meinung von allen kennen. Vielleicht müssten sich alle zusammensetzen und ein Bier trinken.
taz: Ist das nicht ein bisschen naiv? Es sind ja nicht nur Steine geflogen. Auch Messer waren schon im Spiel.
Kai: Aber indem wir uns hier zusammensetzen, machen wir hier ja schon einen Anfang.
Moderation: Jens Fliege
2 Hauptumsteigestelle in der Innenstadt von Oldenburg
3 Berufsbildende Schulen
4 Kneipe in der Wallstraße
5 autonomes Aktionszentrum
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen