: Telematik hilft Senioren unterwegs
PVG testet Sammeltaxe für Menschen, die nur beschränkt mobil sind ■ Von Gernot Knödler
Erna Groth sieht eigentlich ganz rüstig aus, wie sie da aus ihrer Wohnung kommt, eine kunstlederne Einkaufstasche in der Hand. Doch das neueste Angebot der Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) ist zu verlockend, um nicht ausprobiert zu werden: Zusammen mit einem Taxi-Unternehmen, dem Roten Kreuz, dem Malteser Hilfsdienst und den Johannitern erproben die Pinneberger ein Sammeltaxensystem für alte Menschen mit eingeschränkter Mobilität.
Wer Mühe hat, die dreihundert Meter zur nächsten Bushaltestelle zu gehen oder die Treppen zum nächsten S-Bahnhof hochzusteigen, kann die Service-Nummer 83 99 44 55 wählen und sich mit einem Tag Vorlauf ein Sammeltaxi bestellen. InhaberInnen einer HVV-Monatskarte bringt es für fünf Mark, alle anderen für sieben Mark zum Ziel. Die Fahrten werden bei der PVG so disponiert, dass unterwegs MitfahrerInnen zusteigen können.
„Wir bieten eine Mischung zwischen Taxen- und ÖPNV-Bedienung“, sagt Heinrich Klingenberg, der das Projekt im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums wissenschaftlich begleitet und mit ÖPNV die öffentlichen Nahverkehrsmittel wie Busse und Bahnen meint. Klingenberg hofft, durch das Modell drei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können:
Erstens würden Menschen an Busse und Bahnen herangeführt, die sie jahrelang nicht benutzt hätten – Frauen zum Beispiel, die immer bei ihren Männern im Auto mitfuhren und jetzt alleine im Leben stehen. Der Service des Projekts „Flamenco“ macht es ihnen leicht: Sie werden von Haustür zu Haustür gebracht und die FahrerInnen helfen ihnen beim Ein- und Aussteigen sowie beim Gepäck.
Zweitens könnten mit Flamenco die Fahrzeuge der Hilfsdienste besser ausgelastet werden. Ein Kleinbus, der morgens behinderte Kinder zur Schule bringt, steht oft den halben Tag samt Fahrer auf dem Hof, weil es in der Zwischenzeit nichts zu tun gibt. Und drittens könnten die Sozialsysteme entlas-tet werden: Es wäre für die Krankenkasse oder das Sozialamt billiger, ein Sammeltaxi statt eines normalen Taxis zu bezahlen. Umgekehrt könnten Hilfeempfänger ihr begrenztes Budget für Fahrten besser ausnutzen. Der steigende Anteil der Alten an der Bevölkerung verspricht dem Modell Zukunft.
Bedient werden in der neunmonatigen Probephase nur Lurup, Osdorf, Groß Flottbek, Bahrenfeld und Othmarschen. Sollte die Nachfrage stark sein, würde die Disposition der Fahrten computerisiert: Die Position der behindertengerechten Busse würde per Satellit erfasst und ihre Routen noch kurz- fristig verändert werden – ein telematisches System wie jenes, das die Spediteure im Hafen gerade ausprobieren. Erna Groth kann sich dann von einer Stunde auf die andere überlegen, dass sie gerne Einkaufen fahren möchte, und muss sich trotzdem nicht auf vollgestopfte Busse, unübersichtliche Fahrpläne oder halbmeterhohe Einstiege einlassen.
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