piwik no script img

Querspalte

■ Hitlerei

 Was für andere Illustrierte Titten und Tiere, sind für den Spiegel Titten und Hitler. Am Montag dieser Woche leitete die Hamburger Zeitschrift ihre diesjährige Hitlerw-Woche mit dem Titel „Das Monster des 20. Jahrhunderts“ ein und hievte das „reale Böse“ mit einem verträumten Porträt aufs Cover. Ausgerechnet Joachim Fest, der am 6. 6. 1986 den stiefeldummen Ernst Nolte im FAZ-Feuilleton unter dem Titel „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ die Historikerdebatte hatte lostreten lassen, durfte Hitlers „verleugnetes Vermächtnis“ beklagen. Aber dazu hat Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie bereits Hinreichendes geschrieben.

 Das Faszinosum an der Hitlerei allerdings ist, dass es noch immer Boulevardjournalisten gibt, die glauben, der Spiegel sei ein Meinungsführer, und sich an das Thema hängen. Wie der klügste Regenbogenmann der Welt, Franz-Josef Wagner, der in seine Berliner B.Z. prompt das nachretuschierte Foto eines fröhlich lachenden Hitler mit strahlendem Gebiss hineinklebte. Passend zu der Meldung, ein Schweizer Wissenschaftler habe die Ursache des Bösen entdeckt: Hitler habe eine schwere Karies gehabt, „so dass einer seiner Vorderzähne sogar schwarz und verfault war“. Was dem Strahler 45-Lächeln auf dem Bild nach falsch geforscht sein muss. Oder lügt die B.Z. unter der Schlagzeile „Hitler. Auch seine Zähne schlecht“? Für das „Auch“ jedenfalls gebührt Wagner der Preis des Boulevard-Hitler des Jahres.

 Kann da eigentlich nicht mal schnell Hitler-Freund Guido „Helfer“ Knopp eine zwölfteilige Dokumentation im ZDF zusammenklöppeln? Über die Krankheiten des eineiigen, kariösen, nervenzittrigen Führers. Die Leibzahnarztwitwe ließe sich sicher gern interviewen für „Hitlers Hoden“. Wer ist dafür? Ich bin daführer! Heil Hynkel.

               Michael Ringel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen