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Britische Lords kriegen sich nicht in die Wolle

■ Tony Blairs Abschaffung der politischen Rolle des britischen Erbadels passiert problemlos das Oberhaus in London. Ein einsamer kleiner Protest war nicht mal das Werk eines Oberhausmitglieds

Berlin (taz) – Großbritanniens Erbadel hat politischen Selbstmord begangen, auf die feine englische Art natürlich. Die konservative Mehrheitsfraktion enthielt sich, als am Dienstagabend im britischen Oberhaus die vorerst letzte Abstimmung über Blairs Oberhausreform anstand. Mit 221 gegen 81 Stimmen passierte das Gesetz, das den erblichen Lords und Ladies nach über 600 Jahren Sitz und Stimme nimmt.

„Thank you and good bye“, sagte Labour-Fraktionsführerin Baronin Jay. Nicht einmal die Komikeinlage ließ auf Rebellion schließen. Ein junger Mann hopste kurz nach dem Mittagessen auf den „Woolsack“ – von wo der Präsident des Oberhauses die Sitzungen leitet – und brüllte: „Dieses Gesetz, in Brüssel verfasst, ist Verrat! Wir sind Zeugen der Abschaffung von Großbritannien. Vor uns liegt die Wüste. Keine Königin! Keine Kultur! Keine Souveränität! Keine Freiheit! Steht auf für Königin und Vaterland und stimmt dieses Gesetz nieder!“

Dann ließ er sich vom obersten Sicherheitsbeamten des Oberhauses, der den Titel „Schwarzer Stab“ trägt, abführen. Aber der junge bärtige Mann war gar kein Lord. Er war Sohn eines Lords, also Erbe eines Oberhausmandats mit dem Recht, auf den Stufen des Königsthrones zu sitzen und den Debatten zu lauschen. Er konnte es wohl nicht fassen, dass zwar eines Tages aus dem Earl of Burford der 15. Duke of St Albans wird, dieser aber anders als seine 14 Vorgänger nichts zu sagen hat.

Danach konnte die Selbstabschaffung des House of Lords ungestört weitergehen. Die Tory-Opposition hatte Stillhalten beschlossen, denn es sollen ja 92 erbliche Lords für eine Übergangszeit bleiben dürfen – zum ersten Mal gewählt, und zwar von ihren Oberhauskollegen. Die Wahlergebnisse werden am 5. November bekannt gegeben. Am 17. November, wenn die Königin im Oberhaus ihre jährliche Thronrede hält, sind die anderen schon nicht mehr dabei.

D.J.

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