: Eine Regierung schürt den Bürgerkrieg
■ Die Polizei der Elfenbeinküste verhaftet Oppositionsführung, um eine missliebige Präsidentschaftskandidatur zu verhindern
Berlin (taz) – Die Regierung der westafrikanischen Elfenbeinküste hat der Opposition den Krieg erklärt. Um die 20 Führungsmitglieder der Oppositionspartei RDR (Sammlung der Republikaner) wurden am Mittwoch nachmittag verhaftet, nachdem Sondereinheiten der Polizei eine RDR-Demonstration vor der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt in der Hauptstadt Abidjan gewaltsam aufgelöst hatten. Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse wurden gegen die etwa 1.000 Demonstranten eingesetzt, deren Kundgebung am Vortag verboten worden war. Über das Schicksal der inhaftierten Politiker, darunter RDR-Generalsekretärin Henriette Diabaté, war gestern mittag noch nichts bekannt.
Die Gewalt ist der vorläufige Höhepunkt einer schwelenden Konfrontation zwischen der Regierung von Präsident Henri Konan Bedié und der Opposition. Die Regierung will mit allen Mitteln verhindern, dass die RDR den ehemaligen IWF-Vizedirektor und Ex-Premierminister der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, zu den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2000 aufstellt. Ouattara – der derzeit außer Landes weilt – gilt als potentiell gefährlichster Herausforderer der Regierungspartei PDCI (Demokratische Partei der Elfenbeinküste), die das 15 Millionen Einwohner zählende, relativ wohlhabende Land seit der Unabhängigkeit 1960 regiert.
Um ihn von den Wahlen fernzuhalten, versucht die Regierung nachzuweisen, dass Ouattara kein „Ivoirer“ ist, wie die Bürger der Elfenbeinküste auf Französisch heißen, sondern dass seine Ahnen aus dem nördlichen Nachbarland Burkina Faso kommen und er damit die strengen Nationalitätsbestimmungen des ivoirischen Wahlgesetzes nicht erfüllt. Ouattara bestreitet dies und verweist ferner auf seine ivoirische Geburtsurkunde und seinen ivoirischen Personalausweis. Diese hält die Regierung für gefälscht. Am 22. September reichte sie gegen Ouattara Klage wegen Urkundenfälschung ein, worauf Ouattara mit einer richterlichen Bestätigung seiner Nationalität antwortete. Am Mittwoch wies das Justizministerium das zuständige Gericht an, diese Bestätigung zu annullieren.
Bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl von 1995 durfte Ouattara nicht antreten, woraufhin fast alle anderen Kandidaten die Wahl boykottierten. Diesmal wird die Konfrontation von beiden Seiten mit noch größerer Härte geführt als damals. Militante Anhänger der RDR und der anderen großen Oppositionspartei FPI (Ivoirische Volksfront) bereiten sich offen auf einen bewaffneten Aufstand vor. Die Härte des Staates zeigt sich in der Verfolgung missliebiger Medien. Zuletzt wurde am 21. September Abdoulaye Bakayoko, Eigentümer der RDR-nahen Zeitung Le Libéral, auf offener Straße in Abidjan erschossen, und wenige Tage später entkam Lama Fofana, Mitglied des RDR-Zentralkomitees und Herausgeber der Tageszeitung Libération, knapp einem Mordanschlag. Die Büros von Libération wurden am 25. Oktober von Unbekannten verwüstet; ein Wachmann kam dabei ums Leben. Die Vorfälle gelten als Taten regierungsnaher Kräfte.
Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen