: Werthebach will Kosovaren abschieben
■ Die Ankündigung von Bundesinnenminister Schily (SPD), Kosovo-Albaner möglicherweise noch in diesem Winter zwangsweise rückzuführen, will Innensenator Werthebach (CDU) möglichst schnell umsetzen
Den in Berlin lebenden Flüchtlingen aus dem Kosovo droht die Abschiebung – möglicherweise noch in diesem Winter. „Wenn die Appelle zur freiwilligen Rückkehr nicht fruchten, werden wir abschieben“, kündigte Isabelle Kalbitzer, Sprecherin von Innensenator Eckart Werthebach (CDU), gestern gegenüber der taz an.
Rückendeckung dafür bekommt Werthebach jetzt von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Dieser hatte vor zwei Tagen angekündigt, dass die Bundesländer mit der zwangsweisen Rückführung in das Kosovo womöglich noch in diesem Jahr beginnen können. „Wir hoffen, dass dieser Appell Signalwirkung hat und die Flüchtlinge vorher freiwillig zurückkehren“, sagte Kalbitzer.
Nach Angaben der Innenverwaltung leben in Berlin derzeit schätzungsweise 8.000 bis 10.000 Kosovaren. Der größte Teil von ihnen wird lediglich geduldet, hat also keinen sicheren Aufenthaltsstatus. Diese Flüchtlinge können, wenn der entsprechende Beschluss im Innenministerium fällt, innerhalb weniger Wochen abgeschoben werden. Nur ein kleiner Teil der Kosovaren befindet sich im Asylverfahren und ist deshalb geschützer.
Seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen in das Kosovo im Juni haben knapp 1.000 Kosovaren aus Berlin einen Rückreiseantrag gestellt. Die Hälfte von ihnen ist bereits ausgereist. Unter diesen RückkehrerInnen sind 150 so genannte Kontingent-Flüchtlinge. Das sind Flüchtlinge, die offiziell während des Krieges aus Makedonien nach Berlin eingereist sind – 220 Menschen insgesamt. Die anderen Kosovaren werden von der Innenverwaltung als „illegale“ Flüchtlinge eingestuft. Ein Großteil von ihnen kam schon 1992 oder 1993 nach Berlin, als die Verfolgungen im Kosovo zunahmen.
Rückkehrhilfen vom Senat bekommen diese so genannten Alt-Flüchtlinge nicht. Nur wer zwischen März 1998 und Juni 1999 nach Berlin eingereist ist, erhält 2.000 Mark Starthilfe, die im Kosovo ausgezahlt werden. Dass der Senat die Flüchtlinge möglichst schnell loswerden will, wird auch daran deutlich, dass Kosovo-Flüchtlingen immer häufiger die Sozialhilfe komplett gestrichen wird. Ihnen wird von den Ämtern unterstellt, dass sie sich nur noch in Berlin aufhalten, um Sozialhilfe zu beziehen. Da die Rückreise in das Kosovo möglich sei, so die Argumentation von Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU), werde die „missbräuchliche Inanspruchnahme der Leistungen nicht toleriert“.
Scharfe Kritik an Werthebachs Ankündigung haben gestern Flüchtlingsorganisationen geübt. „Es ist unverantwortlich, Leute zurückzuschieben“, sagte Helga Seyb von der Antirassistischen Initiative. Das Kosovo sei noch nicht befriedet. Viele Flüchtlinge, so habe sie immer wieder in Gesprächen erfahren, könnten gar nicht zurückkehren, weil ihre Häuser zerstört seien. Julia Naumann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen