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Lambsdorff pokert um besseres Angebot

■ Bundesregierung will ihren Anteil zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern erhöhen – wenn die Wirtschaft ebenso drauflegt

Berlin (taz) – Graf Lambsdorff, „Moderator“ der deutschen Seite bei den Entschädigungsverhandlungen für die NS-Zwangsarbeiter, knetet die Industriebosse, allerdings nicht zu schmerzhaft. Er will erreichen, dass die ehemaligen Nutznießer der Zwangsarbeit ihr Angebot von vier Milliarden Mark substanziell erhöhen. Dafür hat er schon vorsorglich den nächsten Verhandlungstermin am 16./17. November in Bonn gekippt. Geredet soll nur werden, wenn ein neues Angebot vorliegt. Bei einer Sitzung mit den Fraktionschefs, an der auch der Kanzler teilnahm, soll sich die Regierung bereit erklärt haben, ihren Anteil zu erhöhen, wenn die Industrie im Verhältnis 2 zu 1 mitzieht. Das neue Angebot von 10 Milliarden Mark ist allerdings heftig und von allen Seiten dementiert worden.

Bis jetzt hat sich die Stiftungsinitiative der deutschen Unternehmer auch nicht dadurch erweichen lassen, dass der grüne Koalitionspartner keinen Einspruch gegen die steuerliche Abzugsfähigkeit der Stiftungsgelder erheben wird, obwohl sich dadurch das Verhältnis 4 Milliarden Industrie zu 2 Milliarden Staatsgelder umkehrt. Der grüne Beobachter bei den Verhandlungen, Volker Beck, hat den Vorschlag lanciert, „Rechtssicherheit“, d. h. Schutz vor weiteren Klagen in den USA, nur denjenigen Firmen zu gewähren, die sich vorab bereit erklären, in den Industriefonds einzuzahlen. Die 19 Firmen, die sich zusätzlich zu den 16 Initiatoren des Fonds beitrittswillig zeigen, haben ihren endgültigen Eintritt allerdings von einem positiven Verhandlungsergebnis abhängig gemacht. Um wen es sich handelt, ist kapitalistisches Betriebsgeheimnis.

Rechtssicherheit als Trumpf

Nach wie vor ist vollkommen unklar, ob und wie die Zwangsarbeiter bedacht werden sollen, die weder Sklavenarbeit als KZ-Opfer verrichteten (Gruppe A) noch unter gefängnisähnlichen Bedingungen schuften mussten (Gruppe B). Diese zweite Gruppe ist außerordentlich eingeengt worden, seit Beamte des Bundesfinanzministeriums sich in den letzten Wochen ein neues Kriterium für die Zugehörigkeit zur Gruppe B ausgedacht haben: das der Bewachung. Hierdurch wären nahezu alle Landarbeiter und ein Teil der Industriearbeiter von jeder Entschädigung ausgeschlossen.

Insbesondere für die polnische Seite, Regierungsvertreter wie Opferverbände, ist diese Lösung nur schwer akzeptabel, denn polnische Zwangsarbeiter stellen das Gros der durch die jetzige Lösung Ausgeschlossenen dar. Für die Polen ist der jetzige Verhandlungsstand umso bitterer, als sie von ihrer ursprünglichen Forderung nach einer Gleichbehandlung aller Zwangsarbeiter abgerückt sind.

In der deutschen Diskussion wurde der Vorschlag lanciert, die 700 Millionen Mark, die für einen „Zukunftsfonds“ veranschlagt worden sind, als Härtefonds für die jetzt Ausgeschlossenen einzusetzen. Nach der Rechnung von Volker Beck würde durch diese Lösung zwischen 1.000 und 1.500 Mark für die in der Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter herausspringen. Von einer Gesprächsrunde mit polnischen Politikern zurückgekehrt, konnte Beck zweierlei berichten: Die Polen drängen darauf, dass ihnen gegenüber mit der Haltung „Friss oder stirb“ Schluss gemacht wird. Und sie sind im Grundsatz mit der jetzigen Konstruktion eines einheitlichen Fonds einverstanden.

Wie sieht es mit den Anwälten aus, die die Interessen der in den USA und Israel lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter vertreten? Volker Beck wehrte sich dagegen, dass von dieser Gruppe als einer Ansammlung geldgieriger Geier gesprochen wird. Er sieht „Bewegung“ insbesondere bei den großen Anwaltsbüros – allerdings nur, wenn das deutsche Angebot wesentlich erhöht wird. Insofern ist die Zahl von 10 Milliarden zwar fiktiv, aber dennoch realistisch.

Christian Semler

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