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Angst vor Volkes Beirat

Parteien, Steg und Steb streiten um die Beteiligung der BewohnerInnen bei der Stadtteilentwicklung im Schanzenviertel  ■ Von Gernot Knödler

Willfried Maier hat es vorausgesehen. Bei der Sozialen Stadtentwicklung werde es „immer wieder Konflikte zwischen Bürgern in einzelnen Viertel, dem Stadtteil-Management und den politischen Gremien geben“, prophezeite der grüne Stadtentwicklungssenator Anfang des Jahres. Im Bezirk Mitte und im Schanzenviertel ist jetzt der Streit da.

Wie die taz hamburg berichtete, hat die Grosse Koalition in Mitte ein Verfahren zur Besetzung der Sanierungsbeiräte vorgeschlagen, das den Vertretern von Parteien und Interessenverbänden die Mehrheit verschaffen würde. Zuvor hatte es einen Konflikt darüber gegeben, wer die bis zu 40.000 Mark aus den Verfügungsfonds für die Stadtviertel verteilen darf. Und schließlich ringt das bezirksübergreifende Neuner-Gremium mit der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) da-rum, wer die Entwicklung des Schanzenviertels steuern wird.

Der Beschluss, die Sanierungsbeiräte neu zu besetzen, hatte viele Beiratsmitglieder zornig gemacht. Der Sanierungsbeirat Wohlwill-strasse forderte die Bezirksversammlung Mitte mit fünf zu zwei Stimmen auf, den Beschluss zurückzunehmen. Aus Sicht des Bürgers sei das Vorgehen der Lokalpolitiker eine „Ohrfeige“, schimpfte Beiratsmitglied Harald Lemke. Thomas Stölting von der SPD Mitte dagegen hält das Verhältnis von sechs BürgerInnen zu neun VertreterInnen von Organisationen und Parteien für richtig. Die Auslosung der Sitze für BewohnerInnen alle vier Jahre betrachtet er als Fortschritt: Bei der Einführung der Sanierungsbeiräte sei „nicht bedacht worden, dass Leute Jahrzehnte da drin sitzen“, sagt Stölting. Für Außenstehende entstehe leicht der Eindruck, „die kennen sich alle, da komme ich nicht dazwischen“.

Zumindest der Streit um den Zugriff auf die Verfügungsfonds scheint inzwischen beigelegt zu sein: Die Steb zahle das Geld aus, wenn ein Beschluss des Sanierungsbeirates vorliege, referiert Stölting die aktuelle Beschlusslage. Der Kerngebietsausschuss werde zwar informiert, habe aber nichts zu sagen, „ob uns das gefällt oder nicht“. Am deutlichsten wird der Gestaltungsanspruch der BezirkspolitikernInnen beim Konflikt um die Rolle der Steg als bezirksübergreifende Quartiersmanagerin fürs Schanzenviertel. Während die Steg das Schanzenviertel mit einem Maximum an Transparenz und Beteiligung für Veränderungen gewinnen will, sieht Stölting die Steg als Transmissionsriemen für das Neuner-Gremium. „Das Quartiersmanagement, das die Steg macht, würde es ohne die Zusammenarbeit der drei Bezirke nicht geben“, sagt der SPD-Bezirksabgeordnete.

Sicher müsse die Steg auf dem Grat zwischen Neuner-Gremium und Quartier balancieren, räumt Uwe Szczesny ein, der für die Altonaer CDU übers Schanzenviertel nachdenkt. „Aber Beschlüsse des Neuner-Gremiums müssen auch offensiv ins Quartier getragen werden, selbst wenn es der Steg und einem Teil der Bewohner nicht gefällt.“ Steg-Geschäftsführer Hans Joachim Rösner setzt die Warnung dagegen, dass die Steg in einer solchen Rolle scheitern könnte. Zu gross sei das allgemeine Misstrauen im Viertel gegen politische, städtische Strukturen. Die Steg müsse als „Mittler zwischen politischen Interessen und denen der Straße“ auftreten.

Das Misstrauen sei entstanden, weil zuviel geredet worden und zu wenig passiert sei, vermutet Thomas Stölting. Das Konzept der Steg würde den existierenden Beiräten in den einzelnen Sanierungsgebieten bloß weitere Gremien auf der Ebene des gesamten Schanzenviertels überstülpen, kontert er. „Wenn sie jetzt einen riesigen Beteiligungsprozess initiieren, haben sie ideologische Diskussionen“, warnt er. Dabei lägen die Lösungen doch „überall auf der Hand“. Im Widerspruch zum Beteiligungsanspruch des Senatsprogramms Soziale Stadteilentwicklung sieht Stölting sich dabei nicht, „weil wir uns nur auf wenig Punkte konzentrieren“: Drogen, Sauberkeit/Sicherheit, Frauen&Kinder, die Flora und ein besseres Image.

Gleichwohl sind die Vorstellungen des Senators Maier vom Stadtteil-Management ganz andere. „Wir haben die Grundvorstellung, dass die Quartiers- und Stadtentwicklung im wesentlichen bottom up funktioniert“, sagt sein persönlicher Referent Schnack. Die Steb werde sich nicht damit abfinden, „dass ein Bezirk diese schwierige Situation dominiert“, sagt Schnack und stellt klar: „Wir wollen eine starke Steg, die zu eigenständigem Handeln in der Lage ist.“

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