piwik no script img

Es brodelt im Hafen

Arbeiter des Gesamthafenbetriebs demonstrieren für ihre Arbeitsplätze. Tarifflucht der Wirtschaft geht derweil weiter  ■ Von Peter Ahrens

50 Jahre hat der Gesamthafenbetrieb GHB funktioniert, jetzt steht er auf der Kippe. Die Hafenarbeiter gehen auf die Straße, denn sie fürchten erhebliche Lohneinbußen und den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die Geschäftsführung malt das Ende des GHB an die Wand, und die Wirtschaftsbehörde hält sich heraus. Im Hafen beginnt es zu brodeln.

Die GHB-Geschäftsführung will Weihnachts- und Urlaubsgeld der fast 1000 Arbeiter um 20 Prozent kürzen und die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich herunterfahren (taz berichtete). Das wollen die Arbeiter nicht mitmachen. Sie haben auch die Vereinbarung, die Hafenwirtschaft und Gewerkschaft ÖTV ausgehandelt haben, abgelehnt. Gestern zogen sie mit etwa 600 Leuten demonstrierend durch die Stadt. Einen Container führten sie mit – die Ähnlichkeit mit einem Sarg ist mehr als zufällig: Die Container sind die Totengräber des klassischen Umschlages. Hier wird technisiert gearbeitet mit der Folge, dass die Arbeitsplätze im Hafen peu à peu verschwinden.

„Wenn wir jetzt nicht im Betrieb zu einer Lösung finden, dann ist durchaus denkbar, dass der GHB liquidiert wird“, sagt Horst Rösler von der Geschäftsführung. Damit wäre Platz für Zeitarbeitsfirmen, die die Arbeit billiger erledigen. „Dann würde das gesamte Tarifwerk im Hafen unter Beschuss kommen.“

Wirtschaftsminister Thomas Mirow (SPD) hat in Gesprächen mit dem GHB in dieser Woche betont, dass er „den Gesamthafenbetrieb für eine wichtige Einrichtung hält, die erhalten bleiben soll“. Ein aktives Eingreifen der Politik lehnt er aber ab. Zu der Tatsache, dass Umschlag zunehmend aus dem Hafen ausgelagert wird, um der Tarifbindung zu entgehen, teilt der Senat lediglich mit: „Der Senat hat keinen Einfluss auf die betreffenden Unternehmensentscheidungen bestimmenden wirtschaftlichen Faktoren.“

Die Tarifflucht aus dem Hafen geht derweil weiter. Der Senat hat in der Antwort auf eine Anfrage des GAL-Abgeordneten Axel Bühler erstmals zugegeben, dass Tochterfirmen der städtischen Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA außerhalb des Hafenumschlages keine Tarifbindungen mehr haben. Offensiv dagegen vorzugehen, zum Beispiel das Zahlen von Tarif als Bedingung für die Ansiedlung im Hafen zu machen – das will der Senat nicht: „Tarife sind Angelegenheit der Tarifparteien. Sie können daher nicht Kriterium bei der Vergabe städtischer Flächen sein.“

So sieht die Wirtschaftsbehörde dem Abbau von Arbeit im Hafen zu. Behördensprecher Bernd Meyer räumt ein: „Es ist richtig, dass die Arbeit im konventionellen Umschlag abnimmt.“ Dafür entstünden jedoch zum Beispiel in der Logistik neue Arbeitsplätze. Es gebe halt „einen Wandel des Arbeitsbildes im Hafen“. Vielen von denen, die gestern auf die Straße gingen, nützt das wenig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen