: Kaum ein Unterschied
■ Acht Gehörlosen-Nationalmannschaften nehmen in Huchting an einem ersten Vorbereitungs-Turnier für die kommende Basketball-Europameisterschaft teil
Aufgeregt läuft Panagiotis Panagopoulos am Spielfeld auf und ab. Lautstark feuert er seine Schützlinge an, staucht sie zusammen, gibt ihnen Anweisungen. Als Trainer ist er das nun einmal so gewohnt. Den Spielern ist das ziemlich egal, denn - sie hören ihn gar nicht. Mit dem Spiel Deutschland - Griechenland der Herrenmannschaften begann gestern Mittag im Schulzentrum Huchting ein internationales Gehörlosen-Basketball-Turnier.
Den Schiedsrichter hören die Spieler naturgemäß auch nicht. Gepfiffen wird trotzdem. „Das ist überhaupt kein Problem, weil ohnehin alles über Gebärden läuft“, sagt Schiedsrichter Wolfgang Mersch. Wenn jemand gefoult wird, gehen die Hände des Unparteiischen hoch. Natürlich schauen nicht alle Spieler immer in seine Richtung. Zusätzlich wird die große Uhr mit der Spielzeit angehalten. Immer mehr Spieler hören auf zu spielen. „Vielleicht dauert es etwas länger, aber dann merken schon alle, dass das Spiel unterbrochen wurde.“
Mersch pfeift seit 1981 bei Gehörlosen-Wettkämpfen. Die Schiedsrichter sind die einzigen Hörenden auf dem Feld und pfeifen alle entweder in der Regional- oder Bundesliga. Die Kampfrichter am Tisch sind gehörlos.
Die acht Nationalmannschaften werden bis heute Abend gegeneinander antreten. Die vier Männer- und vier Frauenteams kommen aus Estland, Litauen, Lettland, Slowenien, Griechenland, Irland und Deutschland. Organisiert wird die Veranstaltung vom Deutschen Gehörlosen-Sportverband.
Der Verband organisiert in unregelmäßigen Abständen solche Turniere. Sie dienen der internationalen Begegnung aber auch dem „Austesten“ des gegnerischen Niveaus. Und das ist diesmal besonders wichtig, denn im nächsten Jahr findet in Griechenland die Europameisterschaft im Gehörlosen-Basketball statt. Entsprechend motiviert waren gestern die Griechen. Deutschland verlor das erste Spiel 83:76.
Das spielerische Niveau ist hoch. „Das ist kein Kaffeekränzchen, sondern Leistungssport, hier geht es richtig zur Sache“, sagt Wolf-Dieter Rabast, der Trainer der deutschen Herrenmannschaft. Anders als bei Hörenden verlaufen solche Wettbewerbe aber doch. „Was hier mehr passiert als im normalen Sport, ist dass die Leute sich untereinander eher kennenlernen. Und man versteht sich leichter als bei Hörenden.“ sagt Rabast.
Dolmetscher gibt es bei diesem Treffen nicht. Trotzdem scheint die Kommunikation bestens funktionieren. Dabei gibt es keine internationale Gebärdensprache, aber „es gibt eine besondere Form der Gestik und Mimik, und das funktioniert,“ sagt Sabine Grajewski von der Geschäftsstelle des Verbands. Eine Art Gehörlosen-Esperanto. „Mit der Zeit holt man sich Gebärden von anderen Ländern.“
Nur einmal habe es Probleme gegeben, lacht Ann Ryan-Reedy vom irischen Frauenteam. „Die Jungs aus Slowenien wollten fragen, ob wir zu dem Frauenteam gehören“, sagt sie. Für das Wort „Frau“ machten sie eine Gebärde, die einen Busen andeutete. „Wir waren schockiert.“ Was in Slowenien zur Gehörlosen-Sprache gehört, kam bei den Irinnen als sexistisch rüber. Das Mißverständnis konnte geklärt werden.
Sonja Wecker ist 19 Jahre alt und spielt für den Hamburger BCJ in der 2. Regionalliga. Fast alle Gehörlosen-Nationalspieler trainieren in gemischten Mannschaften. „Als ich anfing, musste mir der Trainer die Taktik aufzeichnen. Inzwischen lese ich die Begriffe von den Lippen ab.“ Nur wenn der Trainer aufgeregt sei und rumbrüllt, kommt Sonja nicht mehr mit.
Kristin Hunfeld
Die Termine heute: 10 Uhr Estland – Lettland (Frauen); 12 Uhr Slowenien – Griechenland (Männer); 14 Uhr Deutschland – Irland (Frauen); 16 Uhr Deutschland – Litauen (Männer) im Schulzentrum Huchting, Delfter Straße
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