piwik no script img

Große Kinderdressurnummer

■ Mächtig, prächtig, aufgeblasen: Stephanie Grau inszeniert „Tim sucht Struppi“ mit 55 abgerichteten Kindern auf Kampnagel

Erstens: enthaupten. Zweitens: zerfleischen. Drittens: erstechen und verbrennen. Nein, zimperlich sind die Bösen bei Tim sucht Struppi gegenüber Feinden und Eindringlingen in der Wahl ihrer Tötungsmittel nicht. Müssen sie ja auch nicht, denn sie entstammen direkt den auflagenstarken Comics von Hergé. Klar auch, dass der jugendliche Held Tim als Weißer asiatischem Gesindel haushoch überlegen ist. Er kennt sich aus bei den „Eingeborenen“. Und er weiß Bescheid über den chinesischen „Boxeraufstand“ und ähnlich Unverständliches.

Der blaue Lotos, Tim in Tibet und Der Sonnentempel dienen als Vorlage für eine große Kinderdressurnummer auf der größten Kampnagelbühne. Zum 20-sten Geburtstag ihrer Theaterschule Zeppelin hat Regisseurin Stephanie Grau für die „musikalische Theaterrevue“ um den altklugen Tim und seinen Hund 55 Kinder abgerichtet. Man ahnt wieviele schweißtreibende Stunden die Kinder beim Training verbracht haben müssen. Und man gruselt sich angesichts des bunt aufgeblasenen Ergebnisses.

Während der Carlsen Verlag gerade neue Übersetzungen von „Tim und Struppi“ vorlegt, hat Eckehard Schweppe bei seiner Bühnenfassung das Entrümpeln vergessen. Außerdem sind die drei Geschichten so verknappt, dass sie nur versteht, wer sie kennt. Da das Machwerk als Traum daher kommt, scheint es auf Logik weitgehend verzichten zu können. In den postkolonialen Sprachstil mischen sich dann Liedchen über das Glück, das man findet, wenn man andere glücklich macht. Spätestens hier zeigt sich die Skrupellosigkeit von Frau Grau, wenn sie Kinder ohne Rücksicht auf fehlende Stimme ans Mikro läßt.

Überhaupt scheint das Ganze eher der Selbstbeweihräucherung der Schulleiterin zu dienen. Hat man es sonst schon je erlebt, dass die Regie vorm ersten Bild erstmal zehn Minuten Sponsoren namentlich dankt? Und dass nirgends erwähnt wird, wer hier welche Rolle spielt? Immerhin gibt es einiges an Augenfutter. Die Comicästhetik wird durch allerlei Kulissen und farbige Hintergründe auf die Bühne hinübergerettet. Und Szenerien wie die im Himalaya mit riesiger weißer Stofflandschaft entfalten einen eigenen Reiz. Und die 120 Kostüme sind schön mächtig prächtig. Das ist ja auch schon was. Luwig Hugo

Kampnagel, K6, 12 + 13 Nov, 18 Uhr, 14. Nov, 16 Uhr, 19. Nov, 18 Uhr, 20 + 21. Nov, 16 Uhr

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen