: DDR-Staatsratsvorsitzender Egon Krenz muss in den Knast
■ Der Bundesgerichtshof bestätigt die Urteile gegen Egon Krenz, Günter Schabowski und Günter Kleiber
Berlin (taz) – Zwar wurde Egon Krenz gestern noch nicht im Gerichtssaal verhaftet. Dennoch wird der ehemalige DDR-Staatschef demnächst eine sechseinhalbjährige Haftstrafe antreten müssen. Denn gestern bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die rechtliche Verantwortung des SED-Politbüros für die Toten an der Mauer. Die Revision von Krenz sowie von Günter Schabowski und Günther Kleiber wurde abgelehnt.
Damit bestätigten die Richter das Urteil des Landgerichts Berlin vom August 1997. Egon Krenz war wegen Totschlags an vier Flüchtlingen, die zwischen 1984 und 1989 an der innerdeutschen Grenze starben, verurteilt worden. Schabowski und Kleiber kamen damals mit einer Haftstrafe von drei Jahren etwas milder davon. Während Krenz sich im Politbüro um Sicherheitsfragen kümmerte und auch als Mitglied des Nationalen Verteidungsrats der DDR fungierte, waren Schabowski und Kleiber nur „einfache“ Politbüro-Mitglieder und hatten mit dem Grenzregime nicht direkt zu tun.
Die Leipziger Außenstelle des BGH hat nun aber daran festgehalten, dass alle drei Angeklagten als „mittelbare Täter“ für die Erschießung der Flüchtlinge verantwortlich waren. Das Politbüro sei das höchste Machtorgan der DDR gewesen, so die BundesrichterInnen. Ihm sei letztlich auch der Schießbefehl für die DDR-Grenzsoldaten zuzurechnen gewesen. Die Verteidigung hatte demgegenüber argumentiert, dass die letzten substanziellen Entscheidungen zum Grenzregime im Jahr 1973 gefallen waren – also lange bevor Krenz, Schabowski und Kleiber ins SED-Machtzentrum vorrückten.
Tatsächlich konnten als eigenständige Tatbeiträge der Angeklagten nur zwei unwesentliche Routinebeschlüsse des Politbüros angeführt werden, in denen das Gremium die Arbeit der Grenzsoldaten begrüßte. Der BGH wertete dies, wie bereits das Landgericht, als eine „selbstständige Festlegung der politischen Generallinie“. Das Politbüro habe den Grenztruppen einen „Klassenauftrag“ erteilt, der über eine „Befehlskette“ bis zu den Grenzsoldaten weitergegeben wurde.
Erfolglos blieben aber nicht nur die Revisionen der Angeklagten, sondern auch diejenigen der Staatsanwaltschaft. Sie hatte für alle drei Männer härtere Strafen gefordert. Damit sind die Urteile gegen Krenz, Schabowski und Kleiber rechtskräftig. Weitere Rechtsmittel, wie die Verfassungsbeschwerde oder eine Klage vorm Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, haben keine aufschiebende Wirkung mehr. Die ehemaligen DDR-Größen erhalten demnächst eine Aufforderung zum Haftantritt. Christian Rath
Bericht Seite 6, Kommentar Seite 12
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