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Bundestag feiert „Tag des Triumphs von Freiheit und Demokratie“

■ Zentralrat der Juden mahnt, auch den 9. November 1938 in die Feierlichkeiten mit einzubeziehen

Berlin (taz) – Politischer als allgemein erwartet hat Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Rede zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls gestaltet. Bei der Feierstunde des Bundestags in Anwesenheit der früheren Präsidenten Michail Gorbatschow und George Bush warnte Schröder vor einer erneuten Teilung Europas entlang einer „Wohlstandsgrenze“. Der Kanzler verpflichtete Deutschland daher auf eine Rolle als „Anwalt der Beitrittskandidaten zur EU“. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Bedeutung der osteuropäischen Reformbewegungen für die Wende in der DDR 1989.

Einen Tag nach dem Urteil im Revisionsverfahren gegen mehrere Mitglieder des früheren DDR-Politbüros wandte sich Schröder außerdem gegen einen Schlussstrich unter die historische wie juristische Auseinandersetzung mit der DDR. Niemand solle versuchen, die Vergangenheit zu verdrängen, sagte er.

Als einziger Redner neben Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ging Schröder auf die ambivalente Bedeutung des 9. November in der deutschen Geschichte ein. Aufgrund der politischen Wende von 1989 markiere das Datum einen „Tag des Triumphs von Freiheit und Demokratie“. Gleichzeitig sei der Tag seit der Reichspogromnacht gegen Juden am 9. November 1938 mit „unvergänglicher Scham und unvergesslicher Schande“ verknüpft. Der Zentralrat der Juden in Deutschland mahnte gestern, trotz der Feiern zum Mauerfall die Nazipogrome nicht zu vergessen. Zentralratsmitglied Michel Friedman sagte, ihm sei an diesem Tag nicht nach Feiern, sondern nach Trauern zumute. Deutschland solle „sich dieses Ereignisses erinnern und es auch in die Feierlichkeiten einbinden“.

Nach längeren Auseinandersetzungen im Vorfeld der Feierstunde trat gestern auch der Stasi-Beauftragte Joachim Gauck als Vertreter der DDR-Bürgerrechtsbewegung auf. Gauck erinnerte an die Mitglieder der DDR-Bürgerbewegung. Durch ihre Zivilcourage könnten die Ostdeutschen den Westdeutschen „auf Augenhöhe begegnen – zwar ärmer, aber nicht als Gebrochene und keinesfalls als Bettler“. Auf Widerspruch stieß Gaucks Auftritt bei der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. Sie distanzierte sich gestern von den offiziellen Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Maueröffnung. Es sei „schon ein bisschen beleidigend“, wenn kurz vor den Feiern „so ein paar Alibibürgerrechtler“ eingeladen würden, sagte Bohley im Südwestrundfunk. Patrik Schwarz

Tagesthema Seite 3

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