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Ein neues Preußen nicht ohne die Sozialisten

■ Viele Politiker in Berlin und Brandenburg fordern einen neuen Anlauf für die Länderfusion – und sind sich schon jetzt einig: Die PDS muss dieses Mal im Boot sitzen. Doch die Skepsis bleibt

Der frühere General ritt die Attacke gewohnt forsch: Kaum war Jörg Schönbohm in Brandenburg neuer Innenminister geworden, forderte er Anfang November dieses Jahres eine Fusion von Berlin und Brandenburg – und zwar schon 2004: Der Zusammenschluss, so der CDU-Landeschef und frühere Berliner Innensenator, sei im Interesse der beiden Länder, da sie wirtschaftlich und kulturell eine gemeinsame Region seien.

Die Eile des Offiziers ist kühn. Denn schon der erste Versuch einer Länderverbindung war bei einer Volksabstimmung im Mai 1996 gescheitert: Mit 53,4 Prozent stimmte damals zwar die Mehrheit der Berliner Wähler für die Fusion – in Brandenburg waren es aber nur 36,6 Prozent. Zudem blieb die Mark auch an der zweiten Hürde für eine Länderehe hängen: Im Stolpe-Land votierten weniger als ein Viertel der Wahlberechtigen für die Fusion. Auch in den Ost-Bezirken der Hauptstadt wurde das notwendige Quorum von 25 Prozent unterschritten. Der rote Osten wollte keine Fusion.

Seit dem Scheitern, das ihn damals an den Rand des Rücktritts gebracht hatte, favorisiert Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) einen Termin in der kommenden Legislaturperiode – oder gar erst 2010. Sein SPD-Landesvorsitzender Steffen Reiche sprach sich dafür aus, einen erneuten Anlauf erst dann zu wagen, wenn mindestens 50 Prozent aller stimmberechtigten Brandenburger in Umfragen die Fusion bejahen.

Entscheidend für einen neuen Versuch dürfte dabei das Verhalten der PDS sein. Die demokratischen Sozialisten hatten bei der Abstimmung vor drei Jahren den Fusionsvertrag abgelehnt – deshalb fordert Schönbohm, sie bei einem erneuten Anlauf ins Boot zu kriegen. In Berlin zumindest ist die PDS dem Projekt nicht grundsätzlich verschlossen. Die dortigen Bündnisgrünen sind ohnehin klar dafür: „Was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein“, betont ihre Fraktionsvorsitzende Renate Künast und fordert Gespräche mit der PDS. So auch SPD-Landeschef Peter Strieder: „Ohne eine Einbeziehung der PDS wird das scheitern.“

Manfred Sinz, Vizechef der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg, betont, es sei 1996 ein Fehler gewesen, es ohne die PDS zu wagen. Nur mit ihr sei eine solche Abstimmung zu gewinnen. Immerhin gebe es in dieser Partei mittlerweile „viele vernünftige Leute“, die für die Fusion votierten – beim Urnengang vor drei Jahren hätten sich manche um der Parteilinie willen bloß zurückgehalten. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky verlangt unterdessen, dass schon vor den nächsten Wählen in beiden Ländern die Weichen für eine erneute Abstimmung gestellt würden: „Wir würden eine historische Chance auslassen“, sagt er, aber warnt: „Wenn das das zweite Mal scheitert, wird die Chance für einen dritten Anlauf sehr gering.“

Zwar hat sich mittlerweile auch die Bankgesellschaft Berlin für eine Fusion, sogar schon in drei Jahren, ausgesprochen. Doch seit Donnerstag ist es möglich, dass die neue Diskussion sowieso umsonst ist.

Der Grund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich. Ein neues „Preußen“ bekäme aus dem Ausgleichstopf nämlich weniger Geld, als wenn beide klammen und transferabhängigen Länder weiter getrennt blieben. Und beim Geld hört schließlich alle Freundschaft auf. Philipp Gessler

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