: Für Vati erstmal zahlen
■ Um den Kindern den Vater zu geben, verschulden sich junge Mütter / Sie zahlen bis zu 10.000 Mark, damit der ausländische Ehemann wieder nach Deutschland darf / Anwälte: „Erpressung“
Ehe und Familie stehen unter besonderem staatlichen Schutz, heißt es im Grundgesetz. Wenn es dem Ausländeramt passt, sagen die Bremer AnwältInnen Jan Sührig, Barbara Neander und Hans Meyer-Mews. Sie vertreten mehrere Fälle, in denen ausländische Männer erst zu ihren Ehefrauen einreisen durften, nachdem diese bereit waren, früher entstandene Abschiebekosten ihrer Männer von bis zu 10.000 Mark zu bezahlen. Zugleich allerdings erzogen die Frauen die Kinder alleine – und waren deshalb auf Sozialhilfe angewiesen. „Das grenzt an Erpressung“, sagen die Anwälte und zitieren, wonach sich strafbar macht, „wer einen Menschen (...) durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten Nachteil zufügt ...“
Tatsächlich bestätigt das Bremer Ausländeramt, dass „nach §82 Ausländergesetz der Ausländer die Kosten der Abschiebung trägt.“ Nicht seine Frau oder sonst wer. Allerdings: „Wenn jemand kommt und sagt, ich möchte den hier haben, aber nicht zahlen kann, dann muss er warten“, so Amtssprecher Uwe Papencord. Grundsätzlich dürften Abgeschobene erst wieder einreisen, wenn frühere Abschiebungskosten beglichen seien.
Die geforderten Summen sind bisweilen happig. Für den Gambier Malamin D. beträgt sie 4.000 Mark; 3.850 Mark davon reine Flugkosten. Der Mann war nach der Asylablehnung Vater geworden und illegal in Deutschland geblieben – bis zur Abschiebung. „Als seine Frau während der zweiten Schwangerschaft Komplikationen befürchtete, verpflichtete sie sich zur Zahlung“, sagt die Anwältin. „Sie wollte den Mann hier haben.“ Doch jetzt geht die Frau gegen die Höhe der Forderung vor Gericht; sie hat zwei kleine Kinder, der Mann noch keine Arbeit. Und: „3.800 Mark für den Flug nach Banjul sind zu viel.“
Ähnlich Frau K. Auch sie lernte ihren Mann kennen, als dieser Asyl hier suchte. Seitdem hat Frau K. Kämpfen gelernt. Zwei Mal wurde der Armenier abgeschoben, weil seine Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war, ansonsten ist er unbescholten. Doch die Hochzeit gelang den K.–s erst 1998 – in Armenien und „auf Pump“. Zwar hatten die beiden schon früher heiraten wollen. „Aber da haben sie meinen Mann drei Tage vorm Standesamtstermin abgeschoben“, sagt Frau K. Auch sie lebt mit einem Kind von Sozialhilfe. „Ich bin total verschuldet – und jetzt soll ich 7.000 Mark Abschiebekosten zahlen.“ Erst nachdem sie sich dazu verpflichtet hatte, kam der Mann wieder ins Land. Doch als sie mit den Raten jetzt in Verzug kam und das Bielefelder Ausländeramt– wo der Mann bis vor kurzem gemeldet war – , deswegen drohte, ihn wieder abzuschieben, ging die Bremerin zum Anwalt. „Geplatzte Ratenzahlung ist doch kein Abschiebegrund“, sagt der. Frau K. fühlt sich schikaniert – wie auch die Ehefrau eines türkischen Staatsbürgers, Vater dreier Kinder. Für dessen zweifache Abschiebung, zuletzt im Mai, nach verbüßter Haft wegen eines BTM-Deliktes, sind mittlerweile 10.000 Mark Kosten aufgelaufen. „Geld, das weder der Mann noch die Frau je aufbringen können“, so der Anwalt. „Das weiß das Amt.“
Ähnliches kommt auf die Ghanaerin Celia N. zu –vorausgesetzt, die Verkäuferin kann demnächst viel mehr Geld verdienen. Sie stckt in einer besondern Zwickmühle: Seit der Mann – für 7.000 Mark – abgeschoben wurde, arbeitet sie wegen des Kindes Teilzeit. Weil sie Teilzeit arbeitet, verdient sie nicht die ausländerrechtlich vorgeschriebene Mindestsumme, um alle drei zu ernähren. Schon deshalb wird ihrem Mann Opoku M. die Einreise verweigert.
„Wir kennen das Grundgesetz“, heißt es unterdessen im Bremer Ausländeramt. „Deswegen ermöglichen wir Ratenzahlung.“ Auch sei man über hohe Abschiebekosten besorgt. Im vergangenen Jahr zahlte Bremen für 412 Abschiebungen eine Million Mark. Ein Viertel davon floss zurück – zumeist von Arbeitgebern illegal Beschäftigter oder anderen Bundesländern, für die Bremen in Amtshilfe abschob. Fälle wie die oben geschilderten machten sich in dieser Summe aber kaum bemerkbar, heißt es. Das Problem sei der Zwang, Abzuschiebende bei der Fluglinie anzumelden. Die müssten dann zum teuren Normaltarif fliegen. „Die Flugunternehmen lassen sich ihr Risiko teuer bezahlen“, sagen Beobachter.
ede
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