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Einigkeit, Recht und Erziehungsgeld

■  Kanzler Schröder stellte gestern nach Klausurtagung die Politik vor, die er im nächsten Jahr abzuliefern gedenkt. Breite Zustimmung zum Leitantrag des Parteivorstandes

Berlin (taz) – Sie scheint schon hochkompliziert zu sein, die Politik der Bundesregierung. Wie anders lässt es sich erklären, dass der Kanzler bei den Regionalkonferenzen am Wochenende „ein großes Bedürfnis in der Partei gespürt hat, die Politik der Bundesregierung erläutert zu bekommen“. Dann aber – auch das eine Erfahrung von Gerhard Schröder am Wochenende – sei die Bereitschaft, sich an der Debatte zu beteiligen und die Zustimmung für den vom Parteivorstand vorgelegten Leitantrag für den Parteitag im Dezember groß. Überhaupt, so der Eindruck, den der Kanzler drei Wochen vor dem Parteitag in Berlin vermitteln will, ist man sich in der SPD wieder einig.

Während einer Klausurtagung in Potsdam wurden auch das Präsidium, die SPD-Bundesminister und die Ministerpräsidenten auf die neue Einigkeit eingeschworen. Im Jahr 2000 sollen eine Reihe von Vorhaben „in sehr enger Abstimmung“ mit den SPD-Ministerpräsidenten erfolgen, sagte Schröder.

Auch zwischen Fraktion, Regierung und Ministerpräsidenten soll es eine „reibungslosere Abstimmung“ geben. Dass NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement seine Vorbehalte gegen Teile der im Bundestag beschlossenen Ökosteuer schon wieder deutlich macht und sich im Bundesrat möglicherweise enthalten will, wertet Schröder in diesem Zusammenhang als „normalen Vorgang“, bei dem Länderinteressen zu vertreten seien.

Die Regierung sei bei ihrer Entscheidung für die Steuerbefreiung der hochwirksamen Gaskraftwerke davon ausgegangen, dass dadurch keine Wettbewerbsnachteile für die Braunkohle entstünden. Nun gebe es aber auch andere Stimmen. Beim Ausstieg aus der Atomindustrie kündigte Schröder noch für dieses Jahr einen neuen Versuch an, mit der Energiewirtschaft zu einer Einigung zu kommen. Sollte es letztlich nicht zu einem Konsens kommen, „wird der Gesetzgeber zu handeln haben“.

Zu den Projekten für das Jahr 2000 zählen Verbesserungen beim Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld, die Schröder nun pünktlich zum Parteitag als Zückerchen für die präsentierte, die den Sparkurs der Regierung noch nicht so gut verdaut haben. Details konnte er noch nicht nennen. Auch das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit soll fortgesetzt werden.

Wann und wie Vermögende mit zusätzlichen Abgaben belastet werden sollen, ließ Schröder offen, kündigte aber an, dass er selbst die „Konkretisierung“ vornehmen wolle. Im Leitantrag des Parteivorstandes wird eine entsprechende Belastung von „Vermögenden“ angekündigt.

Auf der Basis der Vorschläge von Bundessozialminister Walter Riester und der Anpassung an den Inflationsausgleich soll 2000 ein Rentenkonzept erstellt werden. Schröder bietet der Union „faire Gespräche“ über dieses Konzept an. Er geht davon aus, dass die große Oppositionspartei jetzt dazu bereit sei.

Anders bei der Gesundheitsreform, wo die Union eine Blockade schaffen wolle. Deswegen habe Gesundheitsministerin Andrea Fischer in Absprache mit ihm „vorsorglich“ einzelne Teile in besonderen Gesetzen zur Abstimmung stellen wollen.

Schon Anfang des Jahres wird Bundesfinanzminister Hans Eichel seine Unternehmenssteuerreform vorstellen. In Absprache mit den Bundesländern solle sichergestellt werden, „dass die Reform nicht im eigenen Lager zur Diskussion gestellt wird“, plant Schröder.

Der Kanzler gibt sich optimistisch. Ob es aber der SPD wirklich gelingt, „den Kampf wir gegen uns“ – wie Schröder die anhaltenden parteiinternen Auseinandersetzungen nannte – zu beenden, ist fraglich. „Dafür ist die Partei innerlich viel zu tief zerstritten“, glaubt ein führender SPD-Abgeordneter und: „Leider fehlen uns die richtigen Persönlichkeiten, die das wieder zusammenbringen können.“ Karin Nink

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