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Sklavenhalter wollen billig wegkommen

■  Industrie verweigert mehr Geld für NS-Zwangsarbeiter, obwohl der Bund seine Zahlungen auf drei Milliarden Mark erhöht. Porsche will gar nichts zahlen. Bauernverband: Fremdarbeiter waren „gut genährt“

Berlin (taz) – Ab heute wird in Bonn wieder über die Entschädigung früherer NS-Zwangsarbeiter verhandelt. Doch obwohl die Bundesregierung ihr Angebot um eine auf drei Milliarden Mark erhöht hat, will die deutsche Industrie nicht mehr als die zugesagten vier Milliarden Mark zahlen. Eine Einigung ist damit nicht in Sicht, weil die Anwälte der NS-Sklavenarbeiter eine zweistellige Milliardensumme verlangen, damit jeder Zwangsarbeiter zumindest 10.000 Mark erhält. Die Wirtschaft müsse „erheblich nachlegen“, forderte der Münchner Anwalt Witti. Auch der Regierungsbeauftragte Otto Graf Lambsdorff (FDP) erklärte, nun sei die Wirtschaft am Zuge.

Die 16 Konzerne, die sich bisher offiziell an dem Entschädigungsfonds beteiligen, lehnten das jedoch ab. Die Industrie sehe keinen Anlass, ihr Angebot zu erhöhen, sagte der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski. Allerdings wächst die Zahl der Unternehmen, die den Fonds unterstützen wollen. Gestern signalisierten unter anderem Agfa und die Philipp Holzmann AG ihre Bereitschaft, dem Fonds beizutreten. Auch die Hugo Boss AG erklärte, sie wolle ihre früheren Zwangsarbeiter entschädigen. Lambsdorff warnte gestern, wenn es bei der derzeitigen Position bleibe, würden die Unternehmen „öffentlich wahnsinnige Probleme bekommen“.

Bei der Porsche AG sieht man diese Gefahr offenbar nicht. Der Sportwagenhersteller lehnte Entschädigungszahlungen auch gestern ab. „Wir werden uns nicht beteiligen“, sagte ein Sprecher zur taz. Porsche sehe sich „nicht in der Pflicht“, weil das Unternehmen erst 1948 gegründet worden sei – als Nachfolger des Konstruktionsbüros Porsche, das während der NS-Zeit unter anderem an der Entwicklung des „Käfers“ beteiligt war. In dem Büro seien „nach unserem Stand der Dinge“ keine Zwangsarbeiter beschäftigt gewesen. Porsche könnte zum Umdenken gezwungen werden, wenn das Stuttgarter Landgericht Ende des Monats im Entschädigungsprozess eines polnischen Zwangsarbeiters gegen Porsche entscheidet. Eine moralische Verpflichtung, sich an dem Fonds zu beteiligen, sieht Porsche nicht. Andere Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, wie Mannesmann und die Salzgitter AG, wollten nicht Stellung nehmen.

Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Gibowski, bemühte sich gestern, bei der Lohnnachzahlung für die Zwangsarbeiter anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Verantwortung dürfe nicht allein der Wirtschaft zugeschrieben werden. „Auch fast alle Kommunen, Bauern, Mittelständler, Bäcker und Privatpersonen“ hätten Zwangsarbeiter beschäftigt. Der Sprecher des Bauernverbandes zeigte sich darob „überrascht“. In den deutschen Bauernhöfen seien hauptsächlich „Fremdarbeiter“ beschäftigt gewesen, die gut behandelt und gut ernährt worden seien, sagte er. Vom Deutschen Städtetag hieß es, die Verhandlungen führe der Bund. Nur der Bundesverband mittelständische Wirtschaft signalisierte Bereitschaft zu zahlen: Es sei „vom Grundsatz sicherlich richtig“, dass sich auch mittelständische Unternehmen an dem Fonds beteiligen. Lukas Wallraff

Tagesthema Seite 3

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