: Viel Jugend, wenig Pizza
■ In der neuen CDU-Fraktion ist jeder dritte Abgeordnete weniger als 40 Jahre alt. Doch der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist klein
Im Vergleich zur CDU sehen alle anderen Parteien alt aus. Fast jeder dritte Abgeordnete der neuen Parlamentsfraktion hat den 40. Geburtstag noch nicht hinter sich, und jeder zehnte ist noch nicht einmal 30 Jahre alt. Einziger Schönheitsfehler: Unter den sieben Twens in der 76-köpfigen Fraktion ist keine einzige Frau.
Von einer „Pizza-Connection“ der Youngsters, wie sie im Bundestag vor Jahren Schlagzeilen machte, redet im Berliner Landesparlament freilich niemand. Und das nicht nur, weil die jungen CDU-Abgeordneten in den anderen Fraktionen nur wenige Ansprechpartner fänden. Vielmehr glauben die Jungparlamentarier, so viel hätten sie gar nicht zu bereden – zu unterschiedlich sind die politischen Temperamente. Politische Inhalte sind wichtiger als die Zugehörigkeit zu einer Generation – da sind sich vom konservativen CDU-Mann Marcus Weichert (24) bis zum PDS-Abgeordneten Benjamin Hoff (23) alle einig.
Aber auch innerhalb der CDU ziehen die Jungen nicht an einem Strang. Das zeigt sich schon am Beispiel der drei Allerjüngsten, die allesamt schon mit Anfang 20 den Sprung in den Landtag geschafft haben. Nicht allein die geografische Distanz trennt den Spandauer Weichert von seinen beiden Hellersdorfer Fraktionskollegen Mario Czaja (24) und Christian Gräff (21).
Weichert, der für eine Versicherung im Außendienst arbeitet, tritt im weinroten Anzug für die „Ethik des christlichen Abendlands“ ein und sagt Sätze wie: „Das Entstehen von Monokulturen in Kreuzberg dient dem sozial verträglichen Zusammenleben nicht.“ Der in modisches Schwarz gehüllte Czaja, in seiner politischen Karriere vom liberalen Ex-Wirtschaftssenator und Hellersdorfer CDU-Vorsitzenden Elmar Pieroth gefördert, hat dem PDS-Bezirksbürgermeister Uwe Klett gleich nach der Wahl einen Dialog, „frei von ideologischen Denkblockaden“, angeboten. Die CDU-Bezirksverordneten hatten den angehenden Versicherungskaufmann vor drei Jahren als Pressesprecher ihrer Fraktion abgesägt, weil er den Wehrdienst verweigert hatte.
Eine Erfahrung allerdings teilen die Jungpolitiker aus den Außenbezirken in Ost und West: Wer sich in den Berliner Parteien, zumal in der CDU, gegen die Alten durchsetzen will, der muss sich auf einen Kampf mit harten Bandagen einstellen. Während die jungen Abgeordenten aus den übrigen Bezirken meist wegen des unerwartet guten Wahlergebnisses ins Parlament rutschten, haben die Jungen in Spandau und in Hellersdorf auf Bezirksebene schon das Sagen. In Spandau, wo beinahe jedes zweite der 1.100 Parteimitglieder weniger als 35 Jahre alt ist, wurden die bisherigen Funktionsträger auf dem Nominierungsparteitag „kalt erwischt“, wie die Presse damals notierte.
Dem Hellersdorfer Hoffnungsträger Czaja rückten die Parteifreunde gar schon mehrfach auf dem Rechtsweg zu Leibe. Als er im Frühjahr öffentlich die Christdemokraten aus der alten Blockpartei kritisierte, „die nach der Wende zehn Jahre lang dran waren, aber nichts gemacht haben“ – da schlossen ihn die CDU-Bezirksverordneten kurzerhand aus der Fraktion aus. Und nach dem Nominierungsparteitag für die Berliner Wahlen klagte eine altgediente Bezirkspolitikerin gegen Czajas Nominierung, weil sie unlautere Wahlabsprachen vermutete.
Nach seinem fulminanten Wahlerfolg – neben dem Ex-Gesundheitssenator Peter Luther errang er das einzige CDU-Direktmandat im Osten – ist die Kritik an Czaja erst einmal verstummt. Das Geheimnis des Erfolgs: Der Kandidat machte sich zum Anwalt der Hausbesitzer in Kaulsdorf und Mahlsdorf, die sich im Plattenbaubezirk bislang benachteiligt sahen. Für den Anschluss ans Kanalnetz und das Asphaltieren der Straßen wollte der Bezirk von jedem Hausbesitzer zwischen 70.000 und 140.000 Mark an Erschließungskosten sehen. Czaja setzte sich für eine kostengünstige „Erschließung mit Bürgerbeteiligung“ ein – und gewann 330 Stimmen mehr als die Konkurrenz von der PDS.
Auch die Verdopplung des CDU-Anteils in Spandau, glaubt Weichert, sei auf konkrete Erfolge zurückzuführen. Die CDU habe die Gelder für die Jugendarbeit fast verdreifacht – und für Asylbewerber statt Bargeld nur noch Sachleistungen erübrigt: Das sei für Steuerzahler schließlich auch ein Alltagsthema.
Das christdemokratische Spitzenpersonal bedenkt Weichert ebenfalls mit klaren Worten. Zwar gebe es zu Eberhard Diepgen als Regierendem Bürgermeister derzeit „keine Alternative“, das gelte aber nicht für das Amt des Landesvorsitzenden: „Eberhard Diepgen hat eine Menge Verdienste. Deshalb sollte er nicht ein Schicksal erleiden wie Helmut Kohl.“
Ralph Bollmann
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