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Gutes Haar an GEWOBA

■ Viele MieterInnen versprechen sich mehr Sicherheit durch Videokameras, wollen aber auch nach Aufforderung keine Haare für genetischen Fingerabdruck lassen

„Endlich passiert was“, dachte Frau D. aus Tenever, als sie das Schreiben mit dem Briefkopf ihres Vermieters GEWOBA aus dem Kasten holte. Befriedigt las sie, dass in ihrem Haus die bereits angekündigte Videoüberwachungsanlage installiert werden solle.

Schon lange fühlt sich die ältere Dame nicht mehr sicher in dem Hochhaus. Mit manchen ihrer Nachbarn mag sie nicht einmal den Fahrstuhl teilen. „Primitive Leute“ seien das, die schon nach einem Tag frischgestrichene Wände wieder beschmiert hätten. Eine Kamera könne da vielleicht helfen.

Aber als sie in ihrer Wohnung weiter las, traute die Mieterin ihren Augen nicht: Sie wurde aufgefordert, den beiliegenden Erhebungsbogen auszufüllen und darauf eine Haarprobe aufzukleben. Daraus solle, so das Schreiben, dann ein genetischer Fingerabdruck gewonnen werden, um eine „fälschungssichere Codekarte“ für eine „elektronische Eingangskontrolle“ herzustellen. Zulässig seien „einzelne Exemplare der Haupt- Gesichts- und Intimbehaarung“.

Die Nachbarn der Rentnerin lachten darüber ungläubig, aber sicher war sich zunächst niemand, ob das Schreiben authentisch sei.

„Eine plumpe Fälschung“, sagt Ralf Schumann von der GEWOBA Als ihm dennoch Haarproben von einigen MieterInnen zugingen, ließ er Dementis verteilen. Gegen die Urheber des Schreibens wurde Anzeige erstattet. Die wollten offensichtlich mit der Aktion die Debatte um die Videoüberwachung von Teilen der GEWOBA-Wohnanlagen anheizen.

Seit längerem erwägt die GEWOBA die Installation von Überwachungskameras in den Eingangsbereichen, Kellerfluren und Tiefgaragen einiger Hochhäuser in Tenever (die taz berichtete). Damit soll einerseits Vandalismus vorgebeugt werden, der die GEWOBA in diesem Jahr schon rund 600.000 Mark gekostet hat. Andererseits will die Vermieterin mit dieser Maßnahme das „subjektive Sicherheitsgefühl der MieterInnen“ verbessern, um so dem zunehmenden Leerstand zu begegnen.

Vorgestern befasste sich die Stadtteilgruppe mit den Plänen. Mehrheitlich begrüßten die rund 50 anwesenden Bürger die Installation von Videoanlagen in dem 8.000 Einwohner-Stadtteil. Einige Kritiker wiesen darauf hin, dass Videoüberwachung wegen der Miss-brauchsgefahr allenfalls das letzte Mittel sein dürfe. Sie erreichten jedoch lediglich, dass die Diskussion beim nächsten Treffen wieder aufgenommen wird.

Der Vertreter des Landesdatenschutzbeauftragten, Harald Stelljes, wies unter allgemeiner Zustimmung darauf hin, dass die Überwachung von öffentlichem Raum ebenso ausgeschlossen werden müsse wie die von „sensiblen Bereichen“ wie dem Frauengesundheitstreff oder der Arbeitsloseninitiative. Auf wenig Begeisterung stieß Stelljes dagegen mit dem Vorschlag, ein Bundesgesetz zur Videoüberwachung abzuwarten. Die GEWOBA möchte Mitte nächsten Jahres mit der Installation der Kameras beginnen. jank

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