Press-Schlag
: Digel macht weiter

■ Auch ohne Baumann setzt der DLV-Präsident den Kampf gegen Doping fort

Der Gedanke, der Helmut Digel, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), nach Bekanntwerden des Dopingfalls Dieter Baumann heimsuchte, lag auf der Hand. Es stelle sich die Frage, so Digel, „ob diese Leichtathletik, wenn sie tatsächlich so verseucht ist, noch öffentlich zu rechtfertigen ist“. Ebenso nahe lag die Konsequenz, die sich ihm aufdrängte, nachdem einer seiner engsten Mitstreiter im Kampf gegen das Doping plötzlich selbst im anabolen Zwielicht stand. „Ich denke an Rücktritt“, erklärte der DLV-Präsident. Gestern hatte jedoch schon wieder der Idealist in Helmut Digel gesiegt. „ich werde mich nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagte er und hatte selbst am größten pharmazeutischen Debakel des deutschen Sports bereits eine positive Seite entdeckt. „Kein anderes Ereignis wird so abschreckend sein für diejenigen, die potenziell betrügen.“

Derweil überschlugen sich immer noch die Reaktionen und Spekulationen nach dem Baumann-Desaster. „Ich weiß nur, Dieter Baumann muss unschuldig sein“, schrieb Hochspringerin Heike Henkel in der Welt am Sonntag, meinte aber gleichzeitig: „Den einzigen rein waschenden Beweis, den medizinischen, kann er, realistisch betrachtet, nicht führen.“

Baumann selbst beteuert weiter seine Unschuld, weiß aber, wie schwer es sein wird, diese nachzuweisen. Da er die Korrektheit der beiden positiven Nandrolon-Tests nicht anzweifelt, bleiben nur wenige Auswege aus der Misere. Unwahrscheinlich erscheint, dass die vom Molekularbiologen Werner Franke ins Spiel gebrachte Forschungsreihe tatsächlich ergeben könnte, dass ausgerechnet Baumanns Körper das tut, was fast alle Fachleute für unmöglich halten, nämlich beachtliche Mengen Nandrolon zu produzieren. Bleibt nur die Variante, dass Dieter Baumann die Substanz unwissentlich zu sich genommen hat (was erstaunlich wäre bei jemand, der immer vertrat, dass Athleten wissen müssen, was sie ihrem Körper zuführen) oder dass sie ihm böswillig untergeschoben wurde. „Jetzt geht es darum, dass ich das Beweisstück für mich finde“, weiß der Langstreckenläufer, dem eine 2-jährige Sperre droht.

Nach dem Baumann-Debakel wird Helmut Digel nicht nur Mühe haben, der Leichathletik in Deutschland wieder auf die Beine zu helfen, sondern dürfte sich auch einige Häme im Weltverband IAAF anhören müssen. Stets hatte er dort die Vorreiter-Rolle des DLV im Kampf für sauberen Sport betont, der Verlust seines Paradepferdes in einer Phase wichtiger Weichenstellungen nach dem Tod von Primo Nebiolo trifft ihn somit nicht nur menschlich, sondern auch sportpolitisch äußerst hart.

Matti Lieske