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Kein Frieden ohne eine Perspektive

■ Jugoslawische GewerkschafterInnen suchen in Hamburg Partner für Wiederaufbau

Als Hamburger GewerkschafterInnen im Mai durch Jugoslawien reisten, bombardierte die NATO noch serbische Städte – unter deutscher Beteiligung. Anlässlich ihres Gegenbesuches in Deutschland forderten jugoslawische GewerkschafterInnen gestern in Hamburg, der ersten Station ihrer Reise, dazu auf, den Wiederaufbau im ehemaligen Kriegsgebiet zu unterstützen – auch und gerade in Serbien. Denn die westlichen Länder lieferten ihre humanitäre Hilfe nur an solche Regionen, deren Bürgermeister nicht der Milosevic-Partei angehören.

„Die offizielle Politik unterscheidet bei ihrer Hilfe nach Menschen, die bedürftig, und Menschen, die der Hilfe würdig sind“, kritisierte Rolf Becker vom Hamburger Landesverband der IG Medien. Die IG Medien hat zusammen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Rundreise der jugoslawischen GewerkschaftskollegInnen organisiert. Die berichteten insbesondere über die Situation in den serbischen Städten Aleksinac und Kragujevac. Dort betreibt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Hilfsprojekte.

Dessen Geschäftsführer Knut Fleckenstein rief gestern dazu auf, diese Projekte mit Spenden zu unterstützen: „Frieden kann es nur geben, wenn auch die Bevölkerung in Serbien eine Zukunftsperspektive hat.“ Hunderttausende jedoch stünden vor einer ungewissen Zukunft: Die Nahrungsmittel seien knapp, Jobs selten, Winterkleidung müsse dringend herbeigeschafft werden. „Die Nato-Bomben haben entsetzliches Elend hinterlassen“, so Fleckenstein.

Das bestätigte auch Ruzica Milosalevic. Sie gehört der Betriebsgewerkschaft des Automobilher-stellers „Zastava“ in Kragujevac an. 100.000 Menschen lebten vor den Bombardements in der Stadt, nun kamen noch die Flüchtlinge aus dem Kosovo dazu. Ehe die NATO bombardierte, arbeiteten 36.000 bei Zastava. Das Werk wurde zerstört – und mehrere zehntausend BewohnerInnen auf einen Schlag arbeitslos. „Rechnet man deren Familien dazu, ist die Existenzgrundlage von zwei Dritteln aller Bewohner vernichtet“, so Milosalevic.

Die Zastava-Fabriken mussten zunächst alle geschlossen werden. Die ArbeiterInnen selbst haben die Wiederherstellung in die Hand genommen, um neben dem Werk ihr eigenes Leben wieder aufzubauen. Erst im September konnte die Produktion wieder aufgenommen werden – in reduziertem Umfang. In der Schmiedefabrik beispielsweise wurden früher rund 350 Tonnen pro Monat hergestellt, zur Zeit sind es 230 Tonnen.

Dragan Karajovic, Lehrer aus Kragujevac, wies auf die Beschädigung oder Zerstörung von rund 2000 Schulen in Serbien hin – während der Bedarf an Schulplätzen durch die Flüchtlinge immens angestiegen sei. In Aleksinac, der zweiten vom ASB unterstützten Stadt, wurden daneben auch Wohnblocks zerstört, eine Ambulanz und ein Kindergarten.

Insgesamt seien in Serbien mehr als 200.000 Menschen arbeitslos geworden, so Svetislaw Vladisavljevic von der Belgrader „Gewerkschaft des Handwerks“. Hinzu kämen rund 600.000 Flüchtlinge. „Der Schaden, den die Nato uns zugefügt hat, ist sehr schwer.“ Er betonte zugleich , die GewerkschafterInnen „kämpfen nicht politisch, sondern um Arbeitsplätze“.

Elke Spanner

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